Ist die Zugleistungsprüfung – etwas moderner auch „Zugwilligkeitsprüfung“ genannt – ein geeignetes Mittel, die Fahrsporttauglichkeit junger Pferde frühzeitig zu erkennen?

Die ostpreußische Hengstprüfungsanstalt Zwion bei Georgenburg gilt als Geburtsstätte der modernen Hengstleistungsprüfung. Seit 1926 wurden dort sämtliche ostpreußische Landbeschäler am Beginn ihrer züchterischen Karriere auf ihre Leistungstauglichkeit geprüft. Ganz selbstverständlich gehörte auch eine Zugleistungsprüfung vor dem Zugschlitten dazu, da neben den für eine Remonte wichtigen Reitpferdeigenschaften auch die charakterliche Zugfestigkeit ein wesentlicher wirtschaftlicher Faktor war.

Die Mehrzahl der ostpreußischen Stuten wurde nämlich neben ihrem Zuchteinsatz hauptsächlich im landwirtschaftlichen Gespann eingesetzt. Folgerichtig wurde die Zugleistungsprüfung auch in die hannoversche Prüfungsanstalt Westercelle, später Adelheidsdorf übernommen und blieb bis Ende der 70er Jahre fester Bestandteil der Hengstleistungsprüfungen. Noch heute werden in Adelheidsdorf die dreijährigen Hengste während der elfmonatigen Leistungsprüfung eine Zeitlang im Traberwagen gearbeitet, ohne dass dies einen eigenständigen Prüfungsteil darstellt.

Zugfestigkeit und Zugwilligkeit

Für die Rassegruppe Kaltblut blieb der Zugschlitten ununterbrochen bis heute Prüfungsbestandteil, ebenso bei den Schweren Warmblütern in Sachsen und Thüringen. Bei Kaltblütern, die fast ausschließlich ihre Aufgaben im Geschirr wahrnehmen, vor Planwagen, als Rückepferde im Wald oder im Freizeitsport, ist Zugfestigkeit und Zugwilligkeit eine so elementare Leistungsanforderung, dass dieser Prüfungsteil hier nie ernsthaft zur Debatte stand.

Bei den Schweren Warmblütern, obwohl sie zu einem großen Teil ihren Hafer im Fahrsport verdienen, wird zumindest darüber diskutiert. Einige Fahrsportler vertreten nämlich die Auffassung, dass die Zugleistungsprüfung mit hoher Last nicht mehr zeitgemäß sei und keine zwingende Anforderung mehr für ein modernes Fahrpferd darstellt. Hier wird mehr Betonung gelegt auf Wendigkeit, Durchlässigkeit und Ausdauer. Die Zuchtleitung des Zuchtverbands Sachsen-Thüringen und mit ihr der ehemalige Landstallmeister des sächsischen Landgestüts Moritzburg Dr. Matthias Görbert hält den Zugwilligkeitstest jedoch nach wie vor sinnvoll und aktuell: „Für uns ist das ein ganz wichtiger Charaktertest, auf den wir nicht verzichten wollen!“

Was ist das besondere am Zugwilligkeitstest?

Zugschlitten

Der Zugschlitten
Foto: Rolf Schettler

Anders als beim Zug eines rollenden Fahrzeuges lässt der Zugwiderstand bei einem Zugschlitten nur geringfügig nach, wenn der Anfahrwiderstand (physikalisch: Haftwiderstand) überwunden ist. Beim Ziehen eines Schlittens auf ebenem Untergrund bleibt die Last (physikalisch: Gleitwiderstand) fast gleich.

Der Zugschlitten ist eine denkbar einfache, aber stabile Konstruktion mit Eisen-beschlagenen, vorne leicht nach oben gewölbten Kufen, bei dem das notwendige Zusatzgewicht mittels Sandsäcken aufgelegt werden kann. In den Prüfungsrichtlinien für das Schwere Warmblut ist festgelegt, dass die Prüfung mit einem Gewicht von  25 % des Körpergewichts des ziehenden Hengstes absolviert werden muss, und zwar auf einer Strecke von 200 Meter mit mindestens einer Wendung und mindestens dreimaligem Anhalten und Wiederanziehen.

Diese Regelung schafft nur innerhalb einer Prüfungsgruppe Vergleichbarkeit und erlaubt keine absolute Aussage. Denn der Kraftaufwand und damit die objektive Zugleistung ist entscheidend vom Untergrund abhängig. Es macht einen großen Unterschied, ob der Zugschlitten z.B. über Gras oder über Sand gezogen wird, wobei es bei letzterem noch davon abhängt, ob der Sand tief oder flach, nass oder trocken ist.

Ob eine relative Zuglast gerechter ist als ein feststehendes Gewicht, das für alle Probanden gleich ist, mag man diskutieren. Bei einem sportlichen Wettbewerb wäre sie es nicht, bei einer züchterischen Leistungsprüfung aber schon.

Die 25% Regel

Die 25%-Regel (bei 600 kg Körpergewicht immerhin 150 kg Zuglast) stellt sicherlich nicht die Leistungsgrenze eines Hengstes dar. Obersattelmeister Dirk Hofmann, Leiter der Hengstprüfungsanstalt für Schwere Warmblüter in Moritzburg, vermeidet es trotzdem, die Hengste im Training mit der vollen Last ziehen zu lassen: „Zum Prüfungstag wollen wir immer noch ein bisschen Reserve haben.“

Eine hoch benotete Zugwilligkeitsprüfung ist durch eine ganze Reihe von Kriterien gekennzeichnet. Zunächst das ruhige und gelassene Stehen beim Anspannen und beim Halten während der Prüfung. Dann das ruhige, gleichmäßige und gerade Anziehen des Zugschlittens. Ein Hineinspringen ins Geschirr, ein ruckartiges Anziehen oder „Geigen“ ist ebenso fehlerhaft wie ein seitliches Ausweichen, eine Eigenschaft die junge und untrainierte Pferde gerne zeigen, wenn sie die Zuglast nicht annehmen.

Pferde mit starker Lendenmuskulatur können diese Last anziehen ohne sich bei vorwärts-abwärts gedehntem Hals mit der Vorhand in den Zug zu legen. Sie ziehen sozusagen „in Anlehnung“ an, wölben aber trotzdem erkennbar den Rücken auf. Die Beibehaltung einer geregelten Fußfolge im Viertakt ist ein weiteres wichtiges Kriterium.

Beim Anhalten sollen die Pferde einerseits ruhig stehen, andererseits möglichst das Gewicht halten und nicht sofort zurücktreten. Gerade das Wiederanziehen nach dem ersten und zweiten Anhalten ist ein wichtiger Charaktertest. Hier sollen die Hengste zeigen, dass sie bereit sind, die Last weiter zu bewegen.

Prüfungskonzept mit langer Tradition

Dieses Prüfungskonzept hat lange Tradition in der ursprünglich Oldenburger Pferdezucht. Bereits 1930 wurde eine ähnliche Prüfung für alle Zuchthengste im Stammland obligatorisch. Alle dreijährigen, die in der alten Oldenburger Landeszucht Verwendung fanden, mussten sich nach Abschluss der ersten Decksaison, also dreieinhalb-jährig dieser Prüfung unterziehen, wobei bis in die 50er Jahre eine Zugleistungsprüfung über 1000 Meter erforderlich war. Die hierfür benötigte Durchschnittszeit aller geprüften Oldenburger Hengste variierte zwischen 9,37 Minuten (1931) und 8,35 Minuten (1939). Als Zugwiderstand wurde ursprünglich nur das Gewicht des Zugschlittens nebst Eigengewicht eines Pferdeführers, der auf dem Schlitten Platz zu nehmen hatte, verwendet.

Zugleistung trainieren

Wichtig: die gute Vorbereitung
Foto: Rolf Schettler

Die gute Vorbereitung zählt

Es gab und gibt immer wieder Pferde, die sich diesem Test verweigern. Das muss nicht in jedem Fall Charakterschwäche sein, sondern kann auch in unsachgemäßer, weil überfallartiger Vorbereitung seine Ursache haben. Beim Einfahren mit der Schleppe sollte daher nicht mit zu viel Gewicht gearbeitet werden. Hier kann man eine Menge verderben!

Der Gebrauch der Peitsche bei der Zugleistungsprüfung war über Jahrzehnte Diskussionsthema. Viele Jahre lang durfte kleine Peitsche benutzt, sondern allein mit Stimme und Leine auf den Prüfling eingewirkt werden. Das wurde inzwischen gelockert, wobei es nach wie vor ein wichtiges Beurteilungskriterium ist, ob ein Pferd fleißig und selbständig nach vorne zieht oder deutlich bis massiv mit der Peitsche aufgefordert werden muss.

Trotzdem gilt: widersetzt sich ein Pferd der Zuglast trotz angemessener Gewöhnungsphase, so fehlt es ihm an der notwendigen Leistungsbereitschaft. Dieser Satz gilt auch angesichts des modernen Fahrsports. Immer häufiger werden Hindernisse in Geländeprüfungen am Hang gebaut, um sie spannender zu machen. Auch Steigungen kommen in den Strecken vor, die echte Zugkraft verlangen.

Die bergige Streckenführung beim CAI Dillenburg ist ein Beispiel, aber auch die Einspänner-Weltmeisterschaften in Pratoni del Vivaro (ITA) und Lezirias (POR) bestätigten diesen Trend. Dies ist aber nicht nur ein Thema für Einspänner. Die Stangenpferde eines Viererzuges haben bei Anziehen und in Wendungen ebenfalls eine echte Kraftprobe zu erbringen. Zudem darf nicht vergessen werden, dass bei weitem nicht alle Schweren Warmblüter im modernen Fahrsport landen, eine große Zahl hat Planwagen oder Kremser-Wagen zu ziehen, eine Tätigkeit, die ehrliche Leistungsbereitschaft verlangt. So ist es ganz praktischer Verbraucherschutz, zumindest bei den Vatertieren der Fahrsportrassen die Zugwilligkeit entsprechend zu testen. Wohlgemerkt: als Teil eines Prüfungskonzeptes und nicht als alleiniges Beurteilungskriterium.

Der Wert der Zugleistungsprüfung

Die Prüfung vor dem Zugschlitten darf auch nicht romantisch verklärt werden. Als Universaltest auf Leistungsbereitschaft ist sie sicherlich nicht mehr zeitgemäß, wenngleich versierte Hippologen wie der langjährige Warendorfer Landstallmeister Dr. Gerd Lehmann, ihr einen Wert zuschreiben, der über die reine Fahrtauglichkeit hinausgeht: „Pferde, die vor dem Zugschlitten fleißig arbeiten, halten auch unter dem Sattel durch, wenn der dritte Parcours des Tages unter 35 Grad im Schatten zu absolvieren ist!“ Als alleinige Leistungsprüfung für Fahrpferde reicht der Zugschlitten nicht aus. Durchlässigkeit und die Qualität der Grundgangarten sind ebenso wichtige Teile der Eigenleistung. Dennoch: der Zugschlitten mag ein Relikt aus alter Zeit sein, er ist jedoch in der Zucht von Fahrpferden immer noch zeitgemäß.

DRFV/Rolf Schettler