Hufbeschlag für Fahrpferde äußerst wichtig

Klaus Tebbe Hufschmiedemeister

Hufschmiedemeister Klaus Tebbe
(Foto J. Schwarzl)

Klaus Tebbe,  mehrfacher Deutscher Meister der Einspännerfahrer und Mannschaftsweltmeister der Zweispänner, ist im Hauptberuf selbstständiger Hufschmiedemeister. Im Gespräch mit Rolf Schettler gibt er Tipps und Hinweise aus der Praxis für die Praxis zum Thema Hufbeschlag, speziell für Fahrpferde.

Ein korrekter Hufbeschlag ist für ein Fahrpferd wahrscheinlich noch wichtiger als für ein Reitpferd, da sich Ersteres üblicherweise auf sehr vielen verschiedenartigen und auch deutlich strapaziöseren Untergründen bewegt als ein Reitpferd. Insofern ist auch die Zahl der Fahrpferde, die über längere Zeit ihren Dienst barfuß versehen kann, sehr viel geringer als bei den Reitpferden.

Alle 6-7 Wochen den Beschlag erneuern

Es ist eine eiserne Regel, dass der ausgebildete Hufschmied alle sechs bis sieben Wochen den Beschlag eines Pferdes erneuern sollte. Diese Zeitspanne ist nicht daran zu bemessen, ob ein Eisen am Huf noch hält oder ob der Beschlag noch „gut aussieht“, sondern daran, dass der Unterschied zwischen altem und neuem Beschlag hinsichtlich der Hufstellung und somit der Belastung für Sehnen, Bänder und Gelenke nicht zu groß wird.

Ziel der Hufschmiedarbeit

Das Ziel der Schmiedearbeit am Huf ist die sogenannte plan-ebene Fußung. Sie sollte idealerweise von Natur aus vorhanden sein, mindestens aber nach dem Kürzen des Hufes erreicht werden, das heißt, beide Seiten des Hufes sollten gleichzeitig den Boden berühren. Dieses Ziel ist bei einer geradestehenden Gliedmaße naturgegeben leichter zu erreichen als bei einem verstellten, also in der Zehenachse von der Senkrechten abweichenden Huf. Insofern ist es eine Binsenweisheit, dass zehenenge oder zehenweite, bodenenge oder bodenweite ebenso wie X- oder O-beinige, kuhhessige oder fassbeinige Pferde durch die ungleichmäßige Druckverteilung auf die Gelenke einen höheren Gelenksverschleiß aufweisen.

Annäherung an Idealvorstellung

Auch wenn wir alle eine Idealvorstellung vom Huf haben, dürfen wir nicht vergessen, dass die lehrbuchhafte Symmetrie ein nur selten erreichtes Ideal ist. Genauso wie ein Mensch zwei unterschiedliche Gesichtshälften hat, wird es auch kein Pferd mit zwei absolut gleichen Hufen geben. Die Aufgabe des Schmiedes besteht darin, die Hufe aneinander anzugleichen. Grundsätzliche Korrekturen an der Winkelung des Hufes bzw. an der Hufstellung sind im Fohlenalter, ggfls. noch bei Jährlingen sehr erfolgreich möglich, bei älteren Pferden hingegen kaum noch. Versuche übermäßiger Korrekturen erhöhen dann nur noch die einseitige Belastung der inzwischen bereits angepassten Knorpel sowie des Halteapparates der Füße.

Beim Abheben des Fußes vom Boden ist die Mechanik der Vorder- und Hinterbeine unterschiedlich. Vorne rollt das Pferd über die Zehe ab, hinten fußt es weitgehend gerade ab. Im Trabrennsport ist es nach wie vor üblich, die Vordertrachten der Traber stark zu verkürzen, um die Trittlänge zu vergrößern. Dies belastet allerdings den Sehnenapparat sehr stark. Dies ist für Reit- und Fahrpferde nicht zu empfehlen, da sie anders als Rennpferde über einen sehr langen Zeitraum und für längere Leistungsdauer fitgehalten werden sollen. Ein wenige Minuten dauerndes Trabrennen ist mit einem vielseitigen Fahrwettbewerb insofern eben nicht zu vergleichen.

In der Praxis

Je flacher die Trachte eines Pferdes ist, umso mehr muss die Zehenrichtung, also die Abrollfähigkeit des Eisens, betont werden. Die Spitze des Eisens darf, wenn man es flach auf den Boden legt, nicht den Boden berühren. Als grobe Orientierung kann gesagt werden, dass bei flachen Trachten der Abrollpunkt etwa in Höhe des zweiten Nagellochs des Eisens, bei steilen Hufen hingegen weiter vorne liegen sollte. Eine kürzere Zehe erleichtert das Abrollen der Vorderfüße, erhöht aber gleichzeitig die Druckbelastung auf Knorpel und Gelenke.

Länge der Eisen

Eine andere wichtige Frage ist die der Länge der Hufeisen. Grundsätzlich gilt, dass ein längerer Eisenschenkel die Sehnen und Gelenke entlastet. Andererseits besteht natürlich die Gefahr des Greifens, je länger das Eisen ist. Bei einem Einspänner kann die Eisenlänge am Hinterhuf ruhig etwas länger sein. Bei einem Vierspänner- oder Tandem-Vorderpferd wird man hingegen die Gefahr berücksichtigen müssen, dass das Hinterpferd dem Vordermann die Eisen abtritt. Dies wird im Mehrspänner in engen Wendungen oder bei weichem Boden leicht passieren, mit der unerfreulichen Folge des Eisenverlustes.

 

Beim Beschlag der Vorderhufe ist es ähnlich. Hier kommt beim Ein- oder Zweispänner zwar kein Pferd von hinten, aber die eigenen Hintergliedmaßen werden nach vorne geführt und können in das Eisen greifen und dieses abziehen. Passiert dies häufiger, kann zunächst versucht werden, das Eisen breiter zu halten. Bei der richtigen Schenkellänge des Vordereisens spielt das Exterieur des Pferdes eine wichtige Rolle. Ein überbautes Pferd oder ein solches, das in der Bewegung weniger versammelt, also mehr auf der Vorhand geht, erreichen die Hinterfüße schneller die Vordereisen. Bei solchen Pferden ist die Gefahr des Greifens entsprechend größer, was dann die Schenkellänge der Eisen begrenzt.

Eisen etwas breiter?

Für einen gesunden Hufmechanismus muss das Eisen hinreichend breit sein. Beim Auffußen spreizt sich der Huf Dank des elastischen Strahls im hinteren Bereich jeweils einige Millimeter nach außen. Bei den Vorderfüßen gilt das noch deutlich mehr als bei den Hinterfüßen. Gerade in den Momenten, in denen die volle Belastung des Pferdegewichtes auf dem Huf steht und damit die Spreizung im Trachtenbereich am größten ist, bedarf der Huf des meisten Schutzes. Insofern ist beim Reitpferd und auch beim Einspänner das Eisen ruhig etwas breiter zu belassen. Beim Zwei- und Vierspänner besteht hingegen die Gefahr, dass bei zu weiten Eisen das Nebenpferd in Wendungen das Eisen abtritt.

Streitfrage: Aufzüge

Regelmäßige Diskussionen gibt es um die Frage, ob die für die Stabilität des Eisens hilfreichen zwei seitlichen Aufzüge für den Hufmechanismus nachteilig sein könnten. Dass Eisen mit zwei Seitenkappen fester sitzen, ist unbestritten. Nur müssen diese Aufzüge deutlich vor dem weitesten Punkt des Hufes sitzen, um den vorhin angesprochenen Hufmechanismus nicht zu beeinträchtigen. Gleichwohl ist es eine alte Schmiedeweisheit, dass Hufe mit zwei seitlichen Aufzügen nach einigen Jahren eine etwas engere Hufform annehmen.

Seitenkappen

Da ein Eisenverlust im Wettbewerb immer ein Problem darstellt, haben sich bei Fahrpferden die Eisen mit zwei Seitenkappen jedoch weitgehend durchgesetzt. Trotzdem darf nicht vergessen werden, dass auch andere Faktoren für das feste Sitzen des Eisens mitverantwortlich sind. So sollte beispielsweise der Nagel, der in die weiße Linie des Hufes gesetzt werden muss, hoch herauskommen und wegen der verjüngten Form der Hufnägel mit einer sehr kleinen Niete befestigt werden können. Dies hilft dann auch, das Ausbrechen des Horns zu vermeiden, falls doch einmal ein Eisen herunter getreten wird. Grundsätzlich gilt für jeden Schmied, dass Pferde nicht beim Nageln, sondern am Amboss vernagelt werden! Dann nämlich, wenn die Nagellöcher im Verhältnis zur weißen Linie des Hufes falsch sitzen.

Material der Hufeisen

Da Fahrpferde in der Regel häufiger über Asphalt gehen, haben sich Alu-Eisen im Fahrsport nicht durchgesetzt. Verschiedene Materialien und Stärken von Eisen aus klassischem Werkstahl mit einer Stärke von bis zu 8 mm haben sich am meisten bewährt. Widia-Stifte aus besonders gehärtetem Stahl, die eine allzu schnelle Abnutzung der Eisen auf Asphalt vermeiden sollen, sind jedoch sehr kritisch zu beurteilen. Bei jedem Trab-Tritt gleitet ein Pferd auf den entsprechenden Untergründen 10 bis 20 mm über den Boden, insbesondere auch auf Asphalt. Dies nennt man auch gerne den „Gleitschutz“ der Gelenke. Die Widia-Stifte verhindert dieses Gleiten und führen zu einer starken Prellung der Gelenke und Knorpel. Ihre Berechtigung haben Widia-Stifte auf den Eisen solcher Pferde, die viel auf bergigen Straßen gehen und Schutz vor gefährlichem Rutschen benötigen.

Stollen

In jedes Eisen eines Fahrpferdes gehören Stollenlöcher! Der Fahrer sollte Stollen stets nutzen wenn er auf Gras fährt, im Wettkampf und im Training, selbst wenn der Grasboden trocken und hart gefahren ist. Die Sicherheit in der Trabverstärkung, aber auch ein zuverlässigeres Stellen und Biegen gelingt beim Fahrpferd besser, wenn es über Stollen mehr Trittsicherheit gewinnt. Ebenfalls im Marathon sind Stollen unverzichtbar. Viele Fahrer neigen dazu, wegen häufig vorkommender Asphalt-Straßen in den Wegestrecken erst in der Verfassungsprüfung vor der Phase E (Gelände-Hindernis-Phase) Stollen herein zu drehen. Dies ist aus praktischen Gründen nicht zu empfehlen, denn in Zwangspause und Verfassungsprüfung sollten Fahrer und Beifahrer sich um da Wohl der Pferde und um die letzte Vorbereitung für die Geländeprüfung kümmern und keine Hektik mit dem Einschrauben von Stollen aufkommen lassen. Wenn ein Pferd das Laufen mit Stollen auf Asphalt gewohnt ist, gibt es keinerlei Beeinträchtigungen.

Stollenlänge

Die Stollenlänge muss nicht nur auf die Bodenverhältnisse, sondern vor allem individuell auf das Pferd angepasst werden. Hier sind keine objektiven Größen zu nennen, sondern es geht um das individuelle Wohlbefinden des Pferdes. Das muss jeder Fahrer ausprobieren, mindestens so intensiv wie das richtige Gebiss. Als Grundregel gilt: So kurz wie möglich, aber so lang, bis das Pferd sich sicher fühlt.

Wo sitzen Stollen am besten?

Etwa 95 % aller Schmiede bohren die Stollenlöcher in das Ende der Eisen. Mit dieser Tradition sollte schnellstmöglich gebrochen werden. An dieser Stelle verursachen die Stollen beim Auffußen einen unnötig starken Zug an der Eisenspitze bzw. am ersten Nagel. Besser ist es, die Stollenlöcher an den Anfang des hinteren Drittels der Eisen oder an das Ende der Nagelfalz zu setzen, keinesfalls dahinter. Die gesamte Kraftverteilung wird damit verbessert. Das Eisen sitzt stabiler.

Stollen nur bei der Arbeit

Ebenfalls ein wichtiger Grundsatz lautet: Stollen bleiben nur während der Arbeit im Eisen. Pferde werden mit Stollen nicht transportiert und erst recht nicht in den Stall gestellt. Auch im Training sollten die Stollen verwendet werden. Einerseits um das Pferd an das „Stollen-Gefühl“ zu gewöhnen, andererseits aber auch um Fahrer und Beifahrer die nötige Routine beim Einschrauben zu vermitteln. Gerade der letzte Aspekt ist nicht zu verachten, denn selbst alte Turnierhasen merken am Anfang der Saison, dass ihnen die Handhabung der Stollen nicht ganz so leicht fällt wie bei den letzen Turnieren der alten Saison.

Oropax für Stollen?

Verstopfte Stollenlöcher sind oftmals ein Ärgernis. Die alte Empfehlung, mit Öl getränkten Wattebäuschchen die Stollenlöcher auszustopfen, verspricht wenig Erfolg. In aller Regel gehen diese Wattepfropfen verloren. Deshalb hat die Industrie Kunststoff-Platzhalter mit Gewinde geschaffen, die sogenannten „Kunststoff-Maden“. Auch diese haben sich in der Praxis nicht durchschlagend bewährt. Zum Einen läuft sich der Schlitz innerhalb dieser Kunststoff-Maden sehr schnell ab und es wird schwierig, sie heraus zu bekommen. Zum Anderen kann es zum Problem werden, wenn ein Stück dieser Made um den Schlitz ausbricht. Besser bewährt hat sich das Einlegen von Oropax-Kunststoffmasse, die im Zweifel sehr schnell mit einem Hufnagel entfernt werden kann. Jedenfalls schneller als das hier und da gebräuchliche Kaugummi.  Am Tag vor dem Turnier sollten die Stollenlöcher mit einem Gewindeschneider nachgeschnitten werden. Dann können sie zu Beginn des Turniers meist schnell verwendet werden, zumal wenn immer ein Hufnagel zur Reinigung der Gewindegänge griffbereit ist. Sind ausnahmsweise die Stollen vergessen worden oder stehen aus anderen Gründen nicht zur Verfügung, gibt es einen bewährten Notbehelf: ein neuer Nagel wird zusätzlich eingeschlagen oder der dritte Nagel wird gegen einen neuen ausgetauscht. Dies gibt zumindest einen minimal verbesserten Gripp.

Stollen bei abgenutzten Eisen

Falls das Eisen schon etwas älter und somit abgelaufen ist, empfiehlt es sich, einen Federring oder eine Unterlegscheibe vor dem Stollen zu verwenden. Bei einem zu dünnen Eisen schraubt sich nämlich der Stollen unter das Eisen und führt zu einer punktuellen Belastung des Hufes. Darüber hinaus kann dadurch eine zusätzliche und unangenehme Hebelwirkung auf die Zehe ausgeübt und die Gefahr von Druckstellen am Huf entstehen.

Wie kommt der Stollen senkrecht in’s Eisen?

Die Stollenlöcher sollten bei frischen Eisen mit einem „90 ° Senker“ (Konus) angesenkt werden und der erste Gewindegang tiefer gesetzt werden, damit er nicht so schnell durch Abschleifen des Eisens verschlissen wird. Lochbohrungen sollten unbedingt mit Standbohrmaschinen eingebohrt werden, damit sie auch nicht im Geringsten schief werden. Der Stollen muss nämlich senkrecht im Eisen sitzen.

Verschiedene Arten von Stollen

Grundsätzlich stehen Fahrer und Schmied verschiedene Stollenarten zur Verfügung. Das modernste ist das Click-System, für das bisher noch nicht genügend positive Erfahrungen im Fahrsport vorliegen. Bei den konventionellen Schraubstollen kann der Nutzer wählen zwischen 3/8 Zoll Stollen mit metrischem Gewinde und Stollen mit W12-Gewinde, das grober ist, ein größeres Loch besitzt und daher leichter zu reinigen ist. Bei den 3/8 Zoll-Stollen, die über ein kleineres Gewindeloch verfügen, wird der Nachteil beim Reinigen der Gewindegänge oftmals überbewertet. Entscheidend ist vielmehr, dass es bei dieser Stollenart bedeutend mehr Variationen zum Ausprobieren der optimalen Stollen gibt. Im Übrigen führt das kleinere Stollenloch auch zu einem geringeren Stabilitätsverlust des Eisens.

Sonderbeschläge

Der große Bereich orthopädischer Sonderbeschläge sollte immer vor dem Hintergrund des zusätzlichen Gewichtes gesehen werden, das am Ende der Gliedmaße wirkt und das für einen größeren Kraftaufwand beim Pferd verantwortlich sein kann. Dies kann im Marathon durchaus im Einzelfall schon einmal entscheidend sein. Da man aber nicht tagtäglich und dem Anlass angemessen beschlagen kann, muss der Hufbeschlag für jede Pferd entsprechend ausgewählt werden. Er muss sowohl die Funktion des Sonntagsschuhs wie auch des Sportschuhs erfüllen und das Pferd bei der Erfüllung seiner Leistung unterstützen, nicht behindern. Eine Aufgabe, die für jeden Hufschmied schwierig genug ist und idealer Weise gemeinsam mit dem aufmerksamen und mitdenkenden Fahrer gelöst wird.

Rolf Schettler