Pferdebereitstellung: ein Projekt mit Stolpersteinen

Die besten Pferde im Fahrsport zu halten und mit den besten Fahrern zusammen zu bringen, war das Ziel des pro Einspänner-Projektes „Pferdebereitstellung“. Ein ehrgeiziges Ziel mit allerlei Stolpersteinen, das die Fachgruppe Fahren wieder aufnehmen will.

Dieter Lauterbach mit Fia

Dieter Lauterbach – Fia Foto: DRFV/Rolf Schettler

Im Januar 2007 fand in einem urig-westfälischen Gasthof in Warendorf ein Vieraugengespräch des damals neuen pro Einspänner- Vorsitzenden mit Bundestrainer Eckardt Meyer statt. Viele Themen wurden gestreift. Bei der Frage, an welchem Punkt es im deutschen Einspänner-Sport am meisten drückt, war Bundestrainer Meyer sehr eindeutig: „Wo bleiben all die guten Pferde aus deutscher Zucht?“ Nach Meyers Auffassung mangelte es in Deutschland nicht an fahrerischem Können und Talent, sondern einzig an der genügend großen Basis an bewegungsstarken und zugleich wendigen und vorwärtsgehenden Fahrpferden. Man betrachtete die Vergangenheit und kam auf das Beispiel der Trakehner Stute Graziela, die von dem Trakehner Züchter-Ehepaar Hilmer und Insa Ruprecht der jungen Fahrerin Ulla Günther zur Verfügung gestellt worden war. Diese Konstellation hat der Fahrerin viele nationale und internationale Erfolge beschert, dem Besitzer-Ehepaar gleichzeitig aber auch eine ganze Reihe schöner Turnierreisen im In- und Ausland nebst vieler, denkwürdiger Erinnerungen. Wie häufig ist diese Motivation bei Pferdebesitzern anzutreffen? Liegt es vielleicht nur daran, kooperationswillige Pferdebesitzer mit den jeweils geeigneten Fahrern zusammen zu bringen, ohne auf das Prinzip Zufall warten zu müssen?

In Wirklichkeit ist die Gemengelage recht kompliziert. Zum einen ist da das Generalübel, dass immer noch viel zu wenige Pferde überhaupt mit der Arbeit im Geschirr vertraut gemacht werden. Die auch international so hoch gelobte und in allen Sparten erfolgreiche deutsche Pferdezucht liefert Jahr für Jahr Pferde, die auch im Fahrsport Großes leisten könnten, wenn man sie nur ließe. Noch immer gilt bei vielen Pferdezüchtern und -besitzern die Fahrsportausbildung ihres Pferdes als zweite Wahl, mit der Folge, dass die überwiegende Mehrzahl der im Turniersport eingesetzten Fahrpferde bereits eine Karriere in einer anderen Pferdesportdisziplin hinter sich hat, meistens mit wenig Erfolg. Das erste Ziel des pro Einspänner-Projektes Pferdebereitstellung war demnach, alle Wege und Möglichkeiten zu beschreiten, Pferdebesitzer und Ausbilder zum Einfahren ihrer Pferde – Remonten und älterer Reitpferde – zu motivieren. Öffentliche Demonstrationen auf Messen und Ausstellungen wie unter anderem bei der Freizeitpferde-Verkaufswoche „Hannoveraner erleben“ gehörten genauso zu diesem Bemühen, wie eine intensive Pressearbeit, die in Reitsport-orientierten Fachzeitschriften das Einfahren von Reitpferden und seinen Nutzwert für die Gymnastizierung des Pferdes thematisierten.

 

Multiplikatoren gewinnen

T. Zarembowicz

T. Zarembowicz Foto: DRFV/Rolf Schettler

Der zweite Ansatz war die Gewinnung von Multiplikatoren. Bis vor wenigen Jahren war es noch in allen Landgestüten üblich, alle jungen Hengste nach der reiterlichen Grundausbildung einzufahren und auch im leichten Zug, meist im einachsigen Traberwagen zu arbeiten. Mit gutem Erfolg übrigens, wie der langjährige Leiter der niedersächsischen Hengstprüfungsanstalt Adelheidsdorf, Hauptsattelmeister a. D. Manfred Lopp bestätigte: „Die jungen Hengste trabten nie schöner und lockerer, als nach der vierwöchigen Sommerphase im Traberwagen!“ Insofern wurden Gespräche mit zahlreichen Landgestüten geführt, mit dem Ziel, die Vorstellung junger Hengste für das Bundeschampionat des Deutschen Fahrpferdes ins Auge zu fassen. Neben den in diesem Bereich schon erfolgreichen Landgestüten Warendorf und Moritzburg fiel der Appell beim brandenburgischen Haupt- und Landgestüt Neustadt/Dosse auf fruchtbaren Boden. Andere Landgestüte sind noch in der Überlegungsphase.

Hengsthalter

Auch Gespräche mit Ponyhengsthaltern schienen Erfolg zu versprechen, denn als Deckhengst allein können Ponyhengste in den allerwenigsten Fällen ihren Hafer verdienen. Da könnte es hilfreich sein, wenn sie wirklich vielseitig ausgebildet werden, in Dressur, Springen und Geländereiten, aber eben auch im Fahrsport. Innerhalb einer Imagekampagne für den Pferdesport nahm der Provinzial Verband westfälischer Reit- und Fahrvereine (jetzt Pferdesportverband Westfalen) diesen Aspekt intelligent auf und gestaltete mit einem Foto des Top-Fotografen Jaques Toffi ein originelles Werbemotiv, in dem die Military-Olympiasiegerin Ingrid Klimke aus Münster das Shetlandpony ihrer Tochter Greta mit unverkennbarer Freude im kleinen Ponywagen präsentiert. Bildunterschrift: „Vielseitig – Pferdesport ist mehr als Dressur, Springen und Gelände!“ Wie wahr!

Vertragsgestaltung für die Pferdebereitstellung

Am Ende ist es dann aber doch die Einzelansprache, die Erfolg bei der nicht-kommerziellen Pferdevermittlung verheißt. Ein Grundgerüst mittels eines neu entwickelten Mustervertrages war recht schnell fixiert. Das immer wieder zu lösende Problem, wenn ein kooperationswilliger Pferdebesitzer, meist aus dem Züchterlager, gefunden wurde: Wer fährt mein Pferd sachgerecht ein und wer trägt die Kosten dafür? Denn der Weg in den Spitzensport ist auch bei den Fahrpferden weit. Das Grundprinzip des ursprünglich von pro Einspänner entwickelten und inzwischen weiterentwickelten Mustervertrages „Pferdebereitstellung“ ist simpel, auch wenn die Gemengelage zwischen Fahrer und Pferdeeigentümer in der Regel kompliziert ist. Das betreffende Pferd wird dem Fahrer kostenlos zur Verfügung gestellt, der Fahrer trägt in der Regel die laufenden Kosten, darf dafür aber die Turniergewinngelder behalten. Der Pferdebesitzer befürchtet naturgemäß, dass ein Fahrer das ihm zur Verfügung gestellte Pferd unsachgemäß verheizen könnte. Der Fahrer seinerseits hat die Standardsorge, der Pferdebesitzer würde ihm das Pferd unter dem Hintern weg verkaufen, sobald sich die ersten Turniererfolge einstellen. Deswegen sieht der Mustervertrag vor, dass zwischen Fahrer und Pferdebesitzer eine längerfristige Kooperation von zwei bis drei Jahren vereinbart wird. Der Fahrer kann sich jedoch jederzeit aus dem Vertrag lösen. Dies ist auch erforderlich, da sich im Laufe der Ausbildung oder nach den ersten Turnierstarts herausstellen kann, dass ein Pferd für höhere Aufgaben im Fahrsport doch nicht geeignet ist oder verletzungsbedingt längere Zeit ausfallen könnte, so dass eine längere Vertragsbindung für den Fahrer unangemessen wäre.

Provisionsvereinbarung für Fahrsportler

Rob Horn - Ria Rocca

Ria Rocca mit Rob Horn Foto: DRFV/Rolf Schettler

Der Pferdebesitzer hingegen ist an die Festlaufzeit gebunden, von wenigen gravierenden Fällen abgesehen, in denen eine sofortige Kündigung möglich ist. Dies ist als vertrauensbildende Maßnahme sinnvoll. Natürlich kann der Pferdebesitzer das Pferd in dieser Zeit veräußern. Der Pferdebereitstellungsvertrag würde dann aber auch den Käufer weiterhin binden. Im Übrigen regelt der Vertrag, dass der Fahrer, dessen Turniererfolge den Wert des Pferdes idealerweise gesteigert haben, überproportional von einem solchen Verkauf profitiert. Eine gestaffelte Provision ist hier das Mittel der Wahl. Um Umgehungsgeschäfte von vornherein auszuschließen, ist auch eine Nachwirkung dieser Provisionsvereinbarung vorgesehen.

Kein Weisungsrecht für Pferdebesitzer

In Art und Umfang des Trainings darf der Pferdebesitzer dem Fahrer grundsätzlich nicht hineinreden. Er verzichtet auf ein Weisungsrecht. Die Grenze dieser Grundsatzvereinbarung ist dann erreicht, wenn offensichtliche Fehlentwicklungen oder tierschutzrelevante Entgleisungen des Fahrers vorkommen sollten. Dies berechtigt den Pferdebesitzer dann auch zu einer außerordentlichen Kündigung des Vertrages. An diesem Punkt wird eben auch deutlich, dass die Pferdebereitstellung kein Ersatz für einen gewöhnlichen Ausbildungsvertrag darstellt, mit dem ein Fahrausbilder es übernimmt, ein Pferd einzufahren und zu trainieren. Dabei handelt es sich nämlich um eine reine Dienstleistung, die natürlich honoriert werden muss.

Erfolgreiche Pferdebereitstellungsverträge in der Praxis

Bewusst hat das Modell des Pferdebereitstellungsvertrages, das zwischenzeitlich mehrere einhundert Mal von verschiedensten Interessenten angefordert worden ist, nur als Muster oder auch als Orientierungshilfe deklariert. In jedem Detail können sich von Fall zu Fall die Beteiligten natürlich abweichende Regelungen überlegen. Die ersten prominenten Pferdebereitstellungsfälle waren etwa der hessische Landbeschäler Tenno von Trend, der dem späteren Dillenburger Hauptsattelmeister und mehrfachen Einspänner-Weltmeister Dieter Lauterbach zum Turniereinsatz zur Verfügung gestellt wurde. Oder der Fall der schon erwähnten Trakehner-Stute Graziela, die von den Besitzern Hilmar und Insa Ruprecht an Ulla Günther überlassen wurde. Einige Pferdebesitzer beteiligen sich auch an den laufenden Unterhalts- und Turnierreisekosten. Der Homburger Catering-Unternehmer Peter Kofler, selbst aktiver Einspännerfahrer bis zur internationalen Klasse, hat immer wieder Top-Pferde jüngeren Fahrerkollegen zur Verfügung gestellt. So war er beispielsweise an der Mannschafts-Silbermedaille der deutschen Einspänner-Fahrer 2008 bei der Einspänner-Weltmeisterschaft im polnischen Jarantow beteiligt, als sein Holländer-Wallach Jonathan von Thorsten Zarembowicz als erfolgreichstes deutsches Gespann präsentiert wurde. Peter Kofler sieht seine Rolle dabei eher als Mäzen. So hat er sämtliche Turnieraufwendungen für seinen Fahrer übernommen, behält sich dafür aber im Gegenzug auch das Recht vor, sich kurzfristig aus der Pferdebereitstellung wieder zu lösen. Eine Variante, die natürlich ebenso als interessengerecht angesehen werden muss. Anders lag der Fall bei Amateur-Ausbilder Peter W., der seine fünfjährige Stute zum Bundeschampionat qualifiziert hatte. Um sie im „richtigen“ Turniersport zu zeigen fehlte ihm jedoch die Zeit. Da er in drei Jahren in Pension gehen will, kam ihm das Projekt Pferdebereitstellung optimal gelegen. Er schloss mit einem Nachwuchsfahrer einen entsprechenden Drei-Jahres-Vertrag.

Noch anders lag der Fall bei der Pferdezüchterin Uta S., die aufgrund ihrer Stallkapazität nur drei Stuten züchterisch einsetzen konnte, aber vier mit Staatsprämie ausgezeichnete und sämtlich eingefahrene Stuten in ihren Besitz hielt. Auch sie schloss einen Drei-Jahres-Vertrag ab mit der Option, entweder diesen Vertrag noch einmal zu verlängern oder die Stute dann mit fahrsportlichem Eigenleistungsnachweis wieder in ihre eigene Zucht zurück zu holen.

Pferdebereitstellung – ein sensibler Vorgang

Die Motivation kann also sehr unterschiedlich sein. Für jeden Einzelfall die richtige Konstellation zu finden, hat sich der Vorstand der Fachgruppe Fahren auf die Fahne geschrieben. Nicht in jedem Fall ist dies gelungen. In vielen Fällen werden Pferde angeboten, die den qualitativen Anforderungen des Spitzensports nicht entsprechen, was Pferdebesitzer mitunter völlig anders sehen. In einem anderen Fall passte die Chemie zwischen einem Ponyhengst und der ins Auge gefassten Fahrerin nicht. In einem dritten Fall wurde der Vertrag innerhalb der Probezeit einvernehmlich aufgelöst, nachdem es über die Stall- und Auslaufsituation des Pferdes Unstimmigkeiten gegeben hatte. All dies spricht nicht gegen die Richtigkeit des Konzeptes. Es zeigt nur, dass die Pferdebereitstellung ein äußerst sensibler Vorgang ist, der viel Fingerspitzengefühl erfordert. In Gesprächen mit Pferdezuchtverbänden und größeren Gestüten, mit Einzelzüchtern und Fahrausbildern, sowohl bei Ponys als auch bei Pferden wird in Zukunft noch so mancher Championats-Kandidat akquiriert werden. Das Projekt Pferdebereitstellung soll jedenfalls dazu anregen.

Rolf Schettler