Ist doch ganz einfach, oder?
„Schritt fahren ist langweilig“, „Schritt zu fahren, ist ein notwendiges Übel“, oder „fünf Minuten Schritt zu fahren mache ich nur, um das Pferd langsam aufzuwärmen“ – alles Sätze, die wir täglich sagen oder hören.
Aber wollen wir der Sache nicht mal etwas näher auf den Grund gehen? Wie ist das mit dem Schrittfahren? Ist es wirklich ein „Übel“, oder sieht die Sache eigentlich ganz anders aus?
Schauen wir zunächst, was der Schritt eigentlich ist:
Er ist die langsamste Gangart des Pferdes, eine schreitende Vorwärtsbewegung im Viertakt und ohne Schwebephase. Man hört vier Hufschläge im gleichen zeitlichen Abstand (Viertakt). Das Pferd sollte mit jedem Bein gleichmäßig weit nach vorne treten, so dass der Hinterhuf in der Spur des gleichseitigen Vorderhufes tritt. Ganz theoretisch sprechen wir hier vom „zeitlichen und räumlichen Gleichmaß der Bewegung“.
Wie wird der Schritt von den meisten gefahren?
Die Leine lang, oftmals ohne Kontakt zum Pferdemaul, einen Plausch mit den Beifahrern haltend oder das Handy am Ohr. Schnell noch eine Whatsapp getippt oder kurz etwas gegoogelt. Das ist oftmals die Realität. Kennen wir alle, oder?
„Schritt muss man reiten“ sagte Major a. D. Paul Stecken einmal. Und er wusste, was er sagte!
Schritt ist die schwierigste Gangart: anders als bei den anderen Gangarten liegt dem Schritt ein Viertakt zugrunde. Da es keine Schwebephase gibt, muss sich das Pferd vermehrt mit dem Hals ausbalancieren. Wenn wir mit hingegebener Leine und ohne Verbindung Schritt fahren, laufen die Pferde ohne Genickkontrolle auseinandergefallen auf der Vorhand. Für eine gewisse Zeit ist das völlig in Ordnung, aber das Ziel sieht anders aus. Was braucht es denn eigentlich für einen guten Schritt?
Wie sieht er aus, der gute Schritt?
Wir erkennen einen guten Schritt daran, dass das Pferd entspannt ist, im Viertakt geht und die Muskulatur, besonders im Kruppenbereich gleichmäßig an- und abspannt. Es soll im Gleichgewicht gehen und nicht vorhandlastig sein. Auf dem Pflaster erkennt man das übrigens daran, dass vorhandlastige Pferde mit den Vorderhufen lauter auffußen, als mit den Hinterhufen. Es soll mit schönem Raumgriff schreiten und die Nickbewegung des Kopfes muss deutlich erkennbar sein. Ihr seht es ganz sicher auch daran, dass der Schritt durch den gesamten Pferdekörper geht. Noch ein Indiz für einen guten Schritt erkennt Ihr vom Boden aus: wir sprechen von der V-Phase. Dabei bilden das gleichseitige Vorder- und Hinterbein ein V sobald die Hinterhand absetzt und das Vorderbein abfußt.
Und wie kann ich einen ordentlichen Schritt fahren?
Wichtig ist die Kontaktaufnahme zum Pferdemaul – sie sollte nicht zu stark sein, um das Pferd nicht aus dem Takt zu bringen. Die feinfühlige Hand gibt über leichte halbe Paraden Impulse zum Pferdemaul. Wir geben mit jedem Schritt die Hand feinfühlig vor, gehen also mit der Hand mit, damit das Pferd zwar etwas Anlehnung an die Fahrerhand hat, aber nicht im Takt gestört wird.
Treiben – aber WIE?
Hier müssen wir aufpassen und genau dann die Peitsche vorsichtig anlegen, wenn das Hinterbein abfusst. Den kleinen Moment erkennen, um dem Pferd einen Impuls zu geben, aktiv das Bein zu heben und energisch vorzutreten. Aber Vorsicht: ein zu starkes Treiben zerstört den Takt, macht das Pferd eilig oder fordert sogar das passartige Gehen heraus, das wir ja auf keinen Fall wollen! Sensible Pferde fangen bei zu viel treibender Hilfe auch an zu klemmen oder werden widersetzlich. Die weniger sensiblen können auch etwas abstumpfen, auch das wollen wir vermeiden.
Übergänge und Tempiwechsel, Volten und gebogene Linien
Eine gute Übung sind Übergänge wie Schritt-Halten. Sie lassen das Pferd Last auf die Hinterhand aufnehmen. Auch Tempiwechsel sind gut geeignete Schrittübungen – den Schritt vorsichtig verkürzen, um dann wieder einen fleißigen Mittelschritt zu fordern machen das Pferd aufmerksam und geschmeidiger.
Volten und gebogene Linien fahren sind probate Mittel, die notwendige Losgelassenheit zu fördern. Auch kann man hiermit die „schwächere“ Seite der Pferde schonend gymnastizieren und verbessern.
Ab in’s Gelände
Schritt im Gelände fahren! Nutzen wir doch die unterschiedlichen Bodenverhältnisse und geländebedingte Steigungen und Senken in unser Training einzubeziehen. Es trainiert das Pferd schonend, da es seine Körperhaltung immer wieder neu anpassen muss. Zwischendrin mal das Halten üben und wieder Anfahren. Alles immer mit Augenmaß und den nötigen feinen Hilfen.
Geduld und Konsequenz
Eins ist klar – wenn der Schritt im Laufe der Zeit schlechter geworden ist, kann man ihn nicht auf die Schnelle korrigieren. Geduld und Konsequenz sind auch hier die Zauberwörter. Wir Fahrer müssen uns zwingen, auf unsere Hand und unsere halben Paraden zu achten – immer weich und aushaltend. Quasi eine Einladung dem Pferd gegenüber auszusprechen.
Wir wünschen Euch Schritt für Schritt viel Freude an der Aus- und Weiterbildung Eurer vierbeinigen Freunde!
Birgit Barre