Pferdegymnastizierung mit System

Ein Praxisbericht von Birgit Barre

Manche Trends in der Pferdeausbildung kommen und gehen wieder, ohne nachhaltig Eindrücke zu hinterlassen. Anders bei der Equikinetik – hier ist es Michael Geitner, dem „Erfinder“ dieser Trainingsmethode gelungen, ein plausibles und praktikables System der Pferdegymnastizierung zu entwickeln.

Anfangs dachte ich „schon wieder ein Guru für die Hausfrauentruppe“ und wurde schnell eines Besseren belehrt. Intervalltraining auf einer Quadratvolte mit blau-gelben Gassen! Die Verbindung von Intervalltraining und Volte ist hierbei die Besonderheit. Die Pferde werden in kontinuierlicher Innenstellung und Biegung auf einer 8-Meter-Volte gearbeitet.

Kondition und Beweglichkeit fördern

Dadurch wird kontinuierlich an der natürlichen Schiefe gearbeitet und die Pferde lernen, ihr Hinterbein korrekt unter den Körper zu schwingen. Es ist ein „geführtes“ Longieren, bei dem man nah am Pferd ständige Stellung und Biegung verlangt. Kraftzuwachs, schmerzfreie Nutzung der Muskulatur und Ausgleich von Dysbalancen zwischen einzelnen Muskelgruppen verbessern die Kondition, Beweglichkeit und Stabilität des Pferdes.

Equikinetik nur mit Intervall-Timer

In Innenstellung longieren – die Außenseite komplett durcharbeiten. Die äußere Seite ist durch die Stellung und spätere Biegung aufgespannt und veranlasst die Muskulatur von vorne bis hinten zusammenzuarbeiten. Die Quadratvolte begrenzt das das Pferd nach innen und die äußeren Gassen helfen dem Pferd, die Hinterhand in der Spur zu halten. Das Ganze wird mittels Intervall-Timer zu einem ausgeklügelten System, das für Losgelassenheit, Leistungssteigerung und Muskelzuwachs sorgt.

Muskelkater nach 15 Minuten Training

Bei mir war es reine Neugierde, die mich veranlasste, dieses System zu testen. Meine Pferde waren, so dachte ich, gut trainiert. Um so erstaunter war ich, als mein gut bemuskelter „Ludwigg“ am Tag nach dem ersten Training (15 Minuten!) mit einem bösen Muskelkater im Stall stand. Für mich war klar: das ist effektiv.

Die kurzen Intervalle mit kurzen Pausen bewirken, dass die Herzfrequenz in den Pausen sinkt, sich die Muskulatur aber kaum erholen kann. Somit versucht der Körper, sich dieser Beanspruchung anzupassen und baut verstärkt Muskulatur auf um für das nächste Mal vorbereitet zu sein.

Welche Ausrüstung braucht man für Equikinetik?

Kappzaum

Wichtig: ein gut sitzender Kappzaum
Foto: B. Barre

  • Kappzaum, gut sitzend
  • Kurze Longe oder Seil, 3-5 Meter
  • Touchiergerte, 1,40 – 1,60 m (eine kurze Fahrpeitsche tut es auch)
  • 8 Schaumstoff – Gassen (4 blaue, 4 gelbe)

Das wohl teuerste sind anfangs die blau-gelben Schaumstoff-Gassen. Nützt nichts…die braucht man. Im Netz findet man mittlerweile viele Anbieter und die Beschaffung ist einfach. Ich habe gute Erfahrung mit den original Gassen von Michael Geitner gemacht, die wetterfest und lange haltbar sind.

Ein Wort noch zum Kappzaum: besorgen Sie sich einen wirklich gut passenden! Geitner bietet auch einen Biothane Kappzaum (in gelb-blau) an, der meine Anforderungen allerdings nicht voll erfüllte. Für alle, die Freude an guter Qualität und Funktionalität haben: Kappzaum von SABRO. Etwas teurer, dafür aber eine Anschaffung für’s Leben.

Training auf der Quadratvolte

Es gibt keine unterschiedlichen Übungen – trainiert wird immer auf der 8-Meter-Quadratvolte. Zunächst im Schritt, dann im taktreinen, nicht zu schnellen Trab. Für die Pferde ist es ein erheblicher Kraft- und Balanceakt, den Hals nach innen zu stellen und dabei den Rumpf und die Hinterhand auf der Quadratvolte mit zu biegen. Im Trab deutlich schwerer, da immer nur zwei Beine den Boden berühren anstatt drei, wie im Schritt.

Auch hier gilt: vom Leichten zum Schweren

Pferde begreifen recht schnell, um was es geht: nämlich durch die blau-gelben Gassen laufen. Zunächst sollte man im Schritt üben – solange, bis das Pferd verstanden hat, um was es geht. Im Trab sieht die Welt dann schon anders aus! Es ist anstrengend und manchmal versuchen unsere vierbeinigen Partner, sich der Aufgabe zu entziehen. Sie werden schneller, verlieren den Takt oder versuchen an den Gassen vorbeizulaufen.

Fazit nach vier Jahren Equikinetik

Meine Erfahrung mit Equikinetik ist überaus positiv. Die wichtigsten Ergebnisse der Arbeit mit den blau-gelben Gassen sind für mich:

  • deutlicher Muskelzuwachs innerhalb kurzer Zeit
  • gesteigerte Leistungsfähigkeit
  • erheblich verbesserte Tragkraft der Hinterhand
  • verbesserte Balance
  • einfaches Erreichen der Losgelassenheit

Ich kann diese Form des Trainings allen Pferdbesitzern an’s Herz legen, da es mit minimalem Zeitaufwand maximale Ergebnisse bringt. Eine Trainingseinheit dauert ca. 30 Minuten inklusive Aufwärmen und cool down. Aktiv gearbeitet wird bei uns meistens in einem Intervall von 10 x 60 Sekunden Trab und 10 x 30 Sekunden Schrittpause. Das sind gerade mal 15 Minuten, die wahre Wunder bewirken!

Buchtipp „Equikinetik“

Zu empfehlen ist die Lektüre des Buches „Equikinetik“ von Michael Geitner und Alexandra Schmid aus dem Müller Rüschlikon Verlag (ISBN 978-3-275-02009-6)

 

Birgit Barre