Eignungsprüfungen für Fahrpferde getrennt richten?

Die Diskussion um das Getrennte Richten bei Eignungsprüfungen für Fahrpferde und damit auch beim Fahrpferde-BundesChampionat ist in vollem Gange. Eine Facebook-Umfrage auf „WIR-SIND-FAHRER“ ergab unlängst eine über 90%ige Zustimmung zum Getrennten Richtern gegenüber dem bisher üblichen Gemeinsamen Richten. Die Vorsitzenden des DOKR-Fahrausschusses, Rudolf Temporini und der Fachgruppe Fahren im DRFV, Rolf Schettler, im Interview mit Webmasterin Birgit Barre.

Das Interview

Wir-sind-Fahrer: Herr Temporini, Sie waren selbst international erfolgreicher Fahrer mit Goldenem Fahrabzeichen und sind nun Richter, Parcourschef und Ausbilder. Sie kennen das Turniergeschehen also aus allen Perspektiven. Was sind die Vorzüge des Gemeinsamen und des Getrennten Richtens?

  1. Temporini: Beim Gemeinsamen Richten sitzen zwei gemeinsam an einem Tisch und vergeben für die Gesamtvorstellung eines Gespanns eine oder mehrere Noten. Der kurze Gedankenaustausch gibt vor allem jüngeren Richtern durchaus Sicherheit in der Notenfindung und hat daher im Basissport auf jeden Fall seine Berechtigung. Das Getrennte Richten wird jetzt in der LPO „Richten mit Einzelnoten“ genannt. Jede Lektion wird nach Notenbogen einzeln bewertet. Die schnelle Lektionenfolge würde dabei gar keine Diskussion zulassen. Die drei oder fünf Richter sitzen zudem an verschiedenen Punkten des Vierecks und haben daher unterschiedliche Sichtachsen und Perspektiven. Das erweitert das Beurteilungsspektrum und erklärt zum größten Teil die mitunter abweichenden Benotungen. Es werden dabei nur ganze und halbe Noten vergeben. Jede Note unter 5 muss kurz begründet werden. Insofern wird die Beurteilung eines jeden Richters sehr transparent und vergleichbar.

Wir-sind-Fahrer: Die Fachgruppe Fahren hat sich für das Getrennte Richten beim Fahrpferde-BundesChampionat ausgesprochen. Warum?

  1. Schettler: Zunächst, weil wir die Interessenvertretung der aktiven Fahrer sind und uns seit über 100 Jahren für die stetige Weiterentwicklung des Turnierreglements einsetzen. Für die weit überwiegende Mehrheit der aktiven Fahrer ist völlig klar: sie bevorzugen das Getrennte Richten auch bei Eignungsprüfungen als Beitrag zu mehr Transparenz und Offenheit. Man muss daraus kein Dogma machen und auch keine absolute Forderung, aber zumindest bei den BundesChampionaten sollte das Getrennte Richten der Goldstandard werden.

Wir-sind-Fahrer: Bei den BundesChampionaten in Warendorf wird bisher auch gemeinsam gerichtet.

  1. Schettler: Das stimmt, aber es ist nicht so, dass darüber nicht diskutiert wird. Irgendeiner muss mal voran gehen. Und das sind in diesem Fall vielleicht wir Fahrer.

Wir-sind-Fahrer: Herr Temporini, Sie haben sich dafür stark gemacht, dass schon vor zehn Jahren bei den Deutschen Jugendmeisterschaften im Fahren per Dispens schon in Kl. A getrennt gerichtet wurde, bevor die LPO dies eigentlich zuließ. Wie waren die Erfahrungen?

  1. Temporini: Wie immer bei Neuerungen – teils teils, aber nicht 50/50! Bei den Fahrern, Eltern und Ausbildern war das Echo damals in Bösdorf überwiegend sehr positiv. Bei den Richterkollegen teilweise durchwachsen. Letztlich war unser Vorstoß aber schon die Initialzündung dafür, dass in der LPO-Novelle 2013 das Getrennte Richten für Kl. S verbindlich vorgeschrieben und für die unteren Klassen zugelassen wurde.

Wir-sind-Fahrer: „Keiner ist so schlau, wie wir alle zusammen“, sagt der Volksmund. Warum führt das Gemeinsame Richten nicht zu den objektiv besseren Ergebnissen?

  1. Temporini: Weil es in jeder Gruppe einen dominierenden Richter gibt, der dienstälter, vielleicht international renommierter ist oder einfach nur dominanter auftritt. In der Richterausbildung ist das gut und wertvoll. Aber damit gehen vielleicht abweichende Meinungen vor allem bei so subjektiven Aspekten wie „Perspektive als Fahrpferd“ leicht unter. Beim Getrennten Richten fließen sie aber in den aus allen Einzelnoten gebildeten Durchschnitt mit ein.
  2. Schettler: Wenn drei Richter an einer Stelle des Vierecks sitzen und im Grunde die gleiche Perspektive haben, bleiben zusätzliche Erkenntnismöglichkeiten ungenutzt. Allein bei drei Richtern, wenn die beiden äußeren in Höhe des Hufschlags vor den langen Seiten sitzen, sehen sie einiges anders als am Punkt C. Warum sollten wir darauf verzichten? Und es gehört nach meiner Überzeugung zu einer offenen Gesellschaft mit transparenten Entscheidungen dazu, dass Richter sich klar und identifizierbar zu ihren Urteilen bekennen. Das findet beim Gemeinsamen Richten nicht statt. Am Ende wollen wir alle doch die größtmögliche Akzeptanz für die wertvollen Eignungsprüfungen. Und die kann es nur geben, wenn wir den Wunsch der aktiven Fahrer nach Offenheit und Transparenz ernst nehmen.

Wir-sind-Fahrer: Wenn die Richter nicht zusammensitzen, kann man sich schwerlich eine gemeinsame Kommentierung vorstellen. Wie könnte das laufen?

  1. Schettler: Die Kommentierung erfolgt einfach von außen durch einen neutralen Berichterstatter. Das kann ein weiterer Richter sein oder ein sonstiger fachkundiger und vor allem moderationserfahrener Mensch. Beim Nürnberger Burgpokal der Dressurreiter funktioniert das seit Jahren hervorragend. Und ich erinnere mich an frühere große Zuchtschauen, etwas die DLG-Ausstellungen oder Bundessschauen, bei denen zwei Richter und ein Berichterstatter als Kommentator amtierten. Das es gelegentlich sogar mal unterschiedliche Auffassungen zwischen Richtern und Berichterstatter gab, machte die Sache für die Zuschauer eher interessanter und gibt Gelegenheit zur Diskussion. Was der Sache durchaus nutzt!
  2. Temporini: Dem ist nichts hinzuzufügen. So kann und sollte es sein. Das wäre sicherlich eine überaus geeignete Möglichkeit, den Zuschauern, die wir ja hoffentlich bald wieder im Turniersport haben werden, das Geschehen im Viereck näher zu bringen; nicht nur den Fachleuten, sondern auch einem breiteren Publikum und insbesondere auch den Medien.

Wir-sind-Fahrer: Vielen Dank für das Gespräch!

Das Gespräch führte Birgit Barre für www.wir-sind-Fahrer.de

 

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