Black Beauty, Fury und Ostwind

Früher bekamen wir Tränen in die Augen, wenn wir Filme wie Black Beauty, Fury, oder ähnliches gesehen haben. Wir schluchzten was das Zeug hielt und sahen uns diese Filme immer wieder an! Warum nur?

Weil wir gerührt waren, was uns in den Filmen geboten wurde: Pferde, die ihren Menschen ganz nah und verbunden waren, die bis zum letzten Atemzug alles für sie gegeben haben und die an ihre Menschen glaubten. Die zugehörigen zweibeinigen Protagonisten wurden in ähnlicher Couleur dargestellt: dem Pferd zugewandt, niemals an deren Liebe zweifelnd und immer auf der Seite des Pferdes.

Und heute?

Wie oft hört man in den großen Ställen Sätze wie: „der Bock taugt nicht“, „wenn der noch einmal buckelt, kommt der weg“ oder „dieser Gaul bringt nichts“. Das Ganze gibt es natürlich noch wesentlich schlimmer.

Die Pferde stehen daneben und Menschen sprechen von ihnen wie von einer schlechten Sache, von der man sich schleunigst trennen sollte, weil sie nicht funktioniert. Sie verstehen nicht, was wir sagen, aber sie verstehen sehr wohl die Stimmung, die wir mit dem Gesagten verbreiten. Wenn wir so sprechen, nehmen wir unsere Pferde nicht an, sondern stoßen sie weg. In solch einem giftigen Klima können sich Freude, Zusammenarbeit, Losgelassenheit und Freundschaft nicht entwickeln.

Verbundenheit zum Pferd – wie stelle ich sie her?

Das Fundament für eine innige Verbundenheit ist das VERTRAUEN. Pferde lassen sich nicht bestechen und Vertrauen lässt sich nicht erkaufen – weder durch Leckerli, Streicheleinheiten oder mit netten Worten. Vertrauen muss man sich erarbeiten.

Pferde sind bekannterweise Flucht- und Herdentiere. Daraus leitet sich ihr ganzes Verhalten ab. Das Leittier trägt die Verantwortung für die ganze Herde und genießt den Respekt und das Vertrauen aller Herdenmitglieder. Es hat die erforderlichen Fähigkeiten für seine Position unter Beweis gestellt und die Führungsposition wird nicht ständig hinterfragt, sondern akzeptiert.

Demokratisches Diskutieren über ein Für und Wider einer Flucht könnte im schlechtesten Fall zum Tod der ganzen Herde führen, weil eine Entscheidung nicht schnell genug herbeigeführt wurde. Darum akzeptieren Pferde die Entscheidung eines Leittieres, dem sie vertrauen und das sie respektieren. Somit ist es ein elementares Bedürfnis, die Rangordnung festzulegen. Gelingt dies nicht eindeutig gegenüber dem Menschen, ist das Pferd verunsichert und hat Stress.

Wir müssen also „Anführer“ sein. Aber wie?

Körpersprache. Unsere Pferde haben feinste Antennen und schätzen uns vor allem anhand unserer Körpersprache ein. Innerhalb weniger Augenblicke steht fest, ob wir die Führungsrolle übernehmen können oder dafür nicht in Frage kommen.

Vielleicht kennt ihr folgende Situation: das Pferd geht nicht auf den Anhänger. Alle unsere Versuche bleiben ohne Erfolg. Plötzlich kommt jemand vorbei, stellt sich hinter das Pferd und…zack…ist es auf dem Hänger! Zauberei? Nein, Körpersprache. Aufrechter Körper, gestraffte Schultern, regelmäßiger Atem und ruhige Bewegungen. Und vor allem: derjenige hat keinen Zweifel daran, dass das Pferd jetzt auf den Anhänger geht. Nur wenn man selbst tatsächlich entschlossen und überzeugt ist, wird die Körpersprache das auch ausstrahlen.

Wer bewegt wen?

Pferde bewegen uns, ohne darüber nachzudenken. Aber: derjenige der bewegt – führt. Der soziale Rang ist über dieses Kriterium eindeutig festgelegt. Kleiner Tipp: beobachtet Eure Pferde unter diesem Gesichtspunkt auf der Weide und Ihr werdet schnell erkennen, wer der Herdenführer ist.

Übungen, die uns verdeutlichen, wo wir in der Rangfolge stehen:

Das Stehen: viele von uns weichen zurück, wenn ein Pferd sie bedrängt und sie sich in ihrem Individualbereich verletzt fühlen. Dieses Ausweichen signalisiert dem Pferd: „Ich bin Chef“, denn ich bewege den Zweibeiner.

Das Führen: kennen wir alle – Pferd am Strick, wir wollen es führen und beginnen diesen Prozess mit unserem ersten Schritt, das Pferd folgt. Besser geht es so: wir sagen dem Pferd „komm“ und das Pferd macht den ersten Schritt, währen wir einen Moment stehen bleiben und uns erst danach in Bewegung setzen. Ihr werdet staunen, wie schwierig das sein kann.

Kommunikationstraining

Der sicherste Weg zu Respekt und Vertrauen ist, es gar nicht soweit kommen zu lassen, dass das Pferd an unseren Führungsqualitäten zweifelt. Hierfür ist es von größter Bedeutung, dass wir nur das verlangen, was das Pferd auch ausführen kann. Verständliche Kommandos – aus Sicht des Pferdes! Stellt Eure Forderungen klar und verständlich und beharrt auf deren Ausführung. Unklare Aussagen rufen Aufmüpfigkeit und Widerstand hervor.

Ganz wichtig: LOB

Zeigt Eurem Pferd sofort, wenn es etwas richtig gemacht hat, uns verstanden hat oder etwas besonders gut gemacht hat. Richtig verstanden heißt nicht unbedingt, die ganze Aufgabe gelöst zu haben. Schon der Versuch, das richtige zu tun ist lobenswert. Lob und Pausen sind so enorm wichtig, dass man gar nicht genug daran erinnern kann. Ich persönlich halte viel davon, das Training für einen kurzen Moment zu unterbrechen, um das Pferd aktiv zu loben. Ich halte an (Pause) und lobe das Pferd überschwänglich, wenn es etwas richtig gut gemacht hat. Danach wird es immer wieder versuchen, das Beste zu geben, um dieses Lob erneut zu bekommen.

Konsequenz und Höflichkeit

Was wir dem Pferd einmal erlauben, muss immer erlaubt sein – was verboten ist, ist immer verboten. So einfach das klingt, die Umsetzung ist manchmal schwierig. Innerhalb gesetzter Grenzen fühlen sich unsere Pferde wohl und sicher. Sind diese Grenzen nicht klar definiert, trifft das Pferd seine eigenen Entscheidungen. So einfach ist das! Trotz aller Konsequenz sollten wir immer höflich und liebevoll bleiben. Wutausbrüche verunsichern das Pferd und zeugen nicht von Führungsqualität. Im Gegenteil. (Wikipedia sagt zum Thema Höflichkeit: „Die Höflichkeit oder Zivilisiertheit ist eine Tugend, deren Folge eine rücksichtsvolle Verhaltensweise ist, die den Respekt vor dem Gegenüber zum Ausdruck bringen soll. Ihr Gegenteil ist Grobheit oder Barbarei.“) Schön gesagt, Wikipedia!

Das Pferd als Freund

Das ersehnte freundschaftliche Verhältnis, so wie Fury oder Black Beauty es uns damals gezeigt haben, kommt sicher nicht nur durch Konsequenz, Kommunikation oder Lob. Das sind nur wichtige Meilensteine in der Entwicklung einer echten Freundschaft. Man kann Freundschaft niemals erzwingen, aber man kann dem Pferd zeigen, dass man sein Freund sein möchte. Nehmt Euch Zeit – jede Minute, die Ihr mit Eurem Vierbeiner verbringt, zählt. Es ist nicht nur die Arbeit mit dem Pferd, sondern vielmehr auch das eigentliche Zusammensein. Zeit nehmen für’s Putzen, gemeinsame Spaziergänge, an der Hand grasen lassen, in die Box gehen und kraulen, oder einfach nur da sein und beobachten.

Wenn wir es schaffen, dem Pferd sehr genau zu vermitteln, was wir von ihm wollen und konsequent und fair sind, haben wir einen großen Schritt in die richtige Richtung getan. Wenn dann noch die LIEBE und der RESPEKT hinzukommen, können wir uns über eine wundervolle Pferd-Mensch-Beziehung freuen. Black Beauty, Ostwind und Fury lassen grüßen!

Birgit Barre