Top organisierte Veranstaltung mit starker Unterstützer-Front

Lange war unklar, ob das Fahrpferde-BundesChampionat im sächsischen Landgestüt Moritzburg überhaupt würde stattfinden können. Es gab aber eine erkennbar starke Unterstützer-Front, angefangen beim Pferdezuchtverband Sachsen-Thüringen als Veranstalter, der sächsischen Gestütsverwaltung und ihrer Mitarbeiter als Gastgeber, der Deutschen Reiterlichen Vereinigung und des Deutschen Reiter- und Fahrer-Verbandes. Nicht zu vergessen die treuen Sponsoren, die angesichts der äußerst limitierten Zuschauerzahl eher als uneigennützige Mäzene zu bezeichnen sind.

Fehlende Qualifikationsprüfungen und Sonderregelung

Angesichts der fast vollzählig ausgefallenen Qualifikationsprüfungen im Lande hatten sich die Verantwortlichen zu einer nicht ganz unumstrittenen Sonderregelung durchgerungen: den Verzicht auf förmliche Championatsqualifikation. D. h. jeder, der nennen wollte, konnte nach Moritzburg reisen. Die unausgesprochene Sorge einiger Fachleute war, dass dies vor allem weniger erfahrene Fahrer und gering qualifizierte Pferde und Ponys anlocken könnte. Diese Sorge, so viel kann gesagt werden, war unbegründet. Im Gegenteil: aufgrund der geringen Turniererfahrung wegen fehlender Qualifikationsprüfungen hat mancher Ausbilder sein aussichtsreiches Championatspferd eher zu Hause gelassen.

Limitierender Faktor im Vorfeld

Und noch ein weiterer Faktor hatte womöglich limitierende Wirkung. Nach Veröffentlichung der Richterliste gab es nicht wenige potentielle Championatsstarter, die ihre Reisepläne nach Moritzburg wieder stornierten, um sich nicht der vorhersehbaren Gefahr auszusetzen, „hingerichtet“ zu werden durch unverhältnismäßig niedrige Noten und niederschmetternde Kommentare.

Begrenzte Zuschauerzahl

Das mit dem Landkreis Meißen und der sächsischen Landesregierung abgestimmte Hygienekonzept für die Moritzburger Championatstage sah eine strikte Limitierung auf 300 Zuschauer vor, obwohl das weitläufige Gelände sicherlich wesentlich mehr Menschen auch unter Einhaltung von Sicherheitsabständen vertragen hätte. Der guten Stimmung tat dies alles keinen Abbruch.

DRFV Fahrerabend

Einen Beitrag zu dieser Stimmung leistete auch der von der Fachgruppe „Wir-sind-Fahrer“ im DRFV initiierte Fahrerabend, der nicht wie üblich auf dem Turniergelände, sondern in einem fußläufig erreichbaren Biergarten stattfand.

Prominenter Besuch

Das Nennungsergebnis entsprach in etwa dem Durchschnitt der Vorjahre. Als Zeichen besonderer Wertschätzung erwies der Pferde-affine und reitende sächsische Ministerpräsident Michael Kretschmer der Veranstaltung durch seinen Besuch die Ehre und übernahm zugleich – hoffentlich auch für die Folgejahre – die Schirmherrschaft über das Championat. Er bewies damit einmal mehr die Rückendeckung, die Pferdezucht und Pferdesport im Freistaat Sachsen genießen.

Vier- und fünfjährigen Deutsche Fahrpferde

Bettina Winkler

Championesse „Noble Lady“ – Bettina Winkler vom Gestüt Bretmühle

Bei den vier- und fünfjährigen Deutschen Fahrpferden (Rassegruppe Deutsches Reitpferd), die ihren Bundeschampion bis 2018 in Warendorf ermittelt hatten, stand für Bettina Winkler und die vom Gestüt Bretmühle (Strauß und Winkler GbR) in Greiz/Thür. gezogene hochnoble braune Staatsprämienstute Noble Lady von Feiner Fürst das Projekt „Titelverteidigung“ an.

Die mit enormem Bewegungspotenzial und viel „Go“ ausgestattete Stute beherrschte auch in diesem Jahr als Fünfjährige das Feld. Die deutlich niedrigere Durchschnittsnote im Vergleich zum vergangenen Jahr verschleiert, dass die bei aller Qualität sicherlich nicht ganz einfache Stute eine hervorragende Entwicklung genommen hat. Bedingt durch die hohe Aufrichtung der Stute war eine gewisse Festigkeit im Rücken nicht zu übersehen, die zu äußerst gelegentlichen Taktstörungen in der Trabverstärkung führte und vom Richtertisch deutlich abgestraft wurde.

Als Testfahrer agierte erneut und mit erkennbarem Spaß an der Aufgabe der Warendorfer Obersattelmeister Christian Koller, der seine Freude an dieser Stute nicht verhehlen konnte, sondern mit einer glatten 10,0 bewertete. Titelverteidigung geglückt!

Vize-Champion wurde die typvolle Dunkelfuchs-Stute Caro van Ferrarie, eine im brandenburgischen Wittstock von Norbert Schmidt gezogene Tochter des Contender-Enkels Cola Zero, meisterlich vorgestellt Karl-Heinz Finkler, der sich selber schon mehrfach in Siegerliste des Bundeschampionat hat eintragen können. Die Bronzemedaille ging wiederum an Bettina Winkler mit dem vom Gestüt Käfernburg in Thüringen gezogenen vierjährigen Wallach Ballisto vom Brentano II-Enkel Boliviano.

Vier- und fünfjährige Fahrponys

Das mit neun Startern bei den jungen Fahrponys überschaubare Starterfeld war von den Deutschen Reitponys dominiert. Nur zwei Haflinger und ein schimmelfarbiges Welsh B-Pony sorgten für Auflockerung. Auch hier schien es zunächst auf eine Titelverteidigung hinauszulaufen, denn die Vorjahreschampionesse Adina von Hessenteichs Grimaldi, im letzten Jahr mit Bettina Winkler an der Spitze, wurde jetzt von Ursula „Mücke“ Hüsges aus Osterath im Rheinland vorgestellt und konnte die Einlaufprüfung gewinnen.

Über den Umweg des kleinen Finales hatte jedoch Silke Bückemeyer aus Schöppingen/Westf. ihre schicke fünfjährige Palomino-Stute Golden Dancing Darling vom westfälischen Siegerhengst Golden West in Position gebracht und holte die Schärpe des Championatssiegers nach Westfalen.

Den Ausschlag gab am Ende Fremdfahrer Christian Koller, der die neue westfälische Bundeschampionesse mit der Wertnote 8,3 deutlich vorne sah. Die offenbar nicht ganz einfach zu fahrende Vorjahressiegerin Adina hatte doch mehrfach deutlich das Maul offen und drückte erkennbar auf die Fahrerhand. Trotz ihres enormen Bewegungspotenzials blieb in diesem Jahr „nur“ die Silbermedaille. Bronze ging an die dritte Stute im Bunde, die fünfjährige Garfield-Tochter Maja, gefahren von Tino Heitmüller.

Wermutstropfen

Dass sämtliche Ponys mit Richternoten unter 7,0 nach Hause geschickt wurden, blieb ein Wermutstropfen der Veranstaltung und dient nicht der Motivation zur Beschickung des Championats.

Vier- und fünfjährige Schwere Warmblüter

Mit 21 Nennungen stark besetzt war die Vorentscheidung der vier- und fünfjährigen Schweren Warmblüter, die von der fünfjährigen braunen Frieder-Tochter Janina (Züchter Karsten Schnelle, Saara/Thür.) mit Lars Krüger (Drebkau) an den Leinen dominiert wurde.

Der imposante vierjährige Moritzburger Siegerhengst Claudius von Capitano mit Dirk Hofmann hatte dagegen deutlich das Nachsehen. Noch deutlicher waren die Machtverhältnisse im Finale. Die mit dem besten Schritt des gesamten Championats gesegnete Janina lag nach Dressur und Kegelfahren deutlich vorne.

Wäre es nach Testfahrer Christian Koller gegangen, hätte der zweitplatzierte Thüringer Hengst Vittaro Thekulies von Veltin, vorgestellt von Marlen Fallak die Nase vorn gehabt. Er vergab für das Gefahrensein eine 9,3. An dritter Stelle landete die erst vierjährige Rappstute Laurenzia vom Elbgraf mit Jessica Wächter. Recht müde und damit wohl deutlich unter seinen Möglichkeiten blieb der vierjährige Mitfavorit Claudius, der sich in der Endabrechnung sogar noch seinem ebenfalls von Obersattelmeister Dirk Hofmann präsentierten Boxennachbarn Veritalis von Veritas geschlagen geben musste.

Sonderehrenpreis vom DRFV

DRFV Sonderehrenpreis

Der DRFV Sonderehrenpreis für das beste 4-5 jähr. Pferd ging an Janina, gefahren von Lars Krüger
Foto: Brit Placek

Da es aus rechtsformalen Gründen kein gemeinsames Finale aller Rassen geben kann, hat der Deutsche Reiter- und Fahrer-Verband einen Sonderehrenpreis für das beste Fahrpferde seiner Altersgruppe über alle Pferde- und Ponyrassen ausgelobt. Die Entscheidung trifft die Richterkommission und fiel auf die Schwere Warmblutstute Janina.

Ältere (6-/7-jährige) auf M-Niveau

Die Altersgruppe der sechs- und siebenjährigen Pferde und Ponys konkurrieren auf dem Niveau der Klasse M (zusätzlich: versammelter Trab und Galopp) und haben im Finale anstelle eines Fremdfahrertests ein kombiniertes Hindernisfahren mit Geländehindernissen zu absolvieren.

Sorgenkind der Veranstalter bleibt die ältere Rassegruppe Deutsches Reitpferd. In Warendorf war dieses Championat mangels hinreichender Nennungen bereits mehrfach abgesagt worden. In Moritzburg will man Verlässlichkeit demonstrieren und hat die Prüfung auch bei nur drei Startern durchgeführt, von denen keiner die Wertnote 7,0 erreichen konnte.

Ein Finale aus dann nur noch zwei Startern brachte am Ende den Championatstitel für die Hannoveraner Rappstute Candy Noir vom neuen Stern am Dressurvererber-Himmel Cadeau Noir, die mit Martin Stötzer im Gelände deutliche Pluspunkte sammeln konnte. Wenn die aktiven Fahrer und Ausbilder in Zukunft nicht deutlich stärkeres Interesse an dieser Prüfung zeigen, wird es nur eine Frage der Zeit sein, bis diese Championatsprüfung eingestellt wird.

Etwas besser sah es bei den älteren Fahrponys aus, bei denen alle zehn genannten Teilnehmer auch tatsächlich antraten. Vom ersten Tag an beherrschte der im Allgäu von Petra Knoll gezogene, im Vorjahr mit der Bronzemedaille ausgezeichnete Moritzburger Edelbluthaflinger Starino von Stano I mit Dirk Hofmann auf dem Kutschbock die Szenerie. Im Finale punktete der HLP-Sieger durch bedingungslosen Leistungswillen und Cleverness, sodass dem ebenfalls aus Bayern stammenden Reitpony Cäsar WS von Castello, gezogen, im Besitz und vorgestellt von Wolfgang Scholz aus Eggenfelden/Ndb. nur die Silbermedaille blieb. Bronze ging an das westfälische Reitpony RRs Darino vom (Reitpony-) Bundeschampion Dimension AT mit Niels Grundmann.

Sechs- und siebenjährige Schwere Warmblüter

Lars Krüger mit Eleve

Champion „Eleve“ vorgestellt von Lars Krüger Foto: Brit Placek

Mit insgesamt sieben Nennungen war auch das Feld der sechs- und siebenjährigen Schweren Warmblüter überschaubar. Hier dominierte vom ersten Tag an der inzwischen siebenjährige FST Eleve, ein brauner Edgar-Sohn, gezogen und im Besitz von Torsten Waldau in Gröden/Brdb. Der Hengst war auf der Körung in Moritzburg 2015 als Landbeschäler auserkoren, dann aber wegen vermeintlicher Ataxie reklamiert worden. Die Diagnose erwies sich als offenkundig unrichtig, sodass die zunächst ausgesprochene Abkörung wieder aufgehoben wurde.

Schon im letzten Jahr war der kompakte, mit ganz viel Hengstausdruck versehene Eleve im Finale eines der auffälligsten Pferde. In diesem Jahr schlug nun endgültig seine Stunde. Hervorragend in Szene gesetzt durch Lars Krüger aus Drebkau war der inzwischen auch S-platzierte Hengst nicht zu schlagen. Er war quasi konkurrenzlos auch der Gewinner des DRFV-Sonderpreises „Bestes Fahrpferd aller Rassen“ seiner Altersgruppe, den Vorstandsmitglied Birgit Barre überreichte.

Die Silbermedaillen blieb für die sechsjährige braune Veritas-Tochter Nicolett-Adali (Z.: Steffi und Holm Agthe, Großheringen/Thür.) aus dem Stall des internationalen Zweispänner-Fahrers Steffen Horn, gefahren von Lukas Rudolph vor Martin Stötzers braunem Wallach Elsass von Elitär.

Quintessenz

Das Bundeschampionat der Fahrpferde und Fahrponys 2020 in Moritzburg war allen Unkenrufen zum Trotz eine meisterschaftswürdige Veranstaltung, die auch bewiesen hat, dass das sächsische Landgestüt alle Voraussetzungen für große, auch internationale Veranstaltungen mitbringt.

Sowohl die Corona-Pandemie als auch Turbulenzen im Verbandsvorstand und die Zurückhaltung einiger Geldgeber haben das Projekt Moritzburger Championatstage nicht leichter gemacht. Das Begleitprogramm „Musik & Hengste“ musste aus Sicherheitsgründen ausfallen. Stattdessen präsentierten Landgestüt und der Verlag Sachsens Pferde am Samstagabend vor kleiner Zuschauerkulisse im stimmungsvoll präparierten Innenhof des Gestüts das neue Buch „Wagen und Geschirre des Sächsischen Landgestüts Moritzburg“ von Landstallmeister a.D. Dr. Matthias Görbert. Dass man vergessen hatte, Presse und Rezensenten zu diesem Event einzuladen, mag der besonderen Situation geschuldet gewesen sein.

Der „Hauptaufreger“ des Championats

Der „Hauptaufreger“ des Championats war einmal mehr die Richterfrage. Während bei den Warendorfer Bundeschampionaten bei Reit-, Dressur-, Spring- und Vielseitigkeitspferden die 9er Noten nur so purzeln, waren es in Moritzburg die Notenstufen „genügend“ und „befriedigend“ (5 und 6), die sich zuhauf auf den Richterprotokollen wiederfanden.

An der schlussendlichen Reihenfolge der Platzierten gab es wenig zu kritisieren, durchaus aber an den öffentlichen Richterkommentierungen, die das in Richterschulungen immer wieder gepredigte Grundprinzip der „wertschätzenden Kritik“ ignorierte und eben an dem Notenniveau, das fast schon eine Rufschädigung der deutschen Fahrpferdezuchten darstellt.

Claus Schridde, Redakteur der Zeitschrift Züchterforum, wurde in seinem Kommentar extrem deutlich: „Dr. C. hatte alle Pferde mit derart niederschmetternden Kommentaren aus der Konkurrenz geschickt, dass die Deprimierung bei Teilnehmern und Zuschauern gleichermaßen überwog. Der Mann ist eine Zumutung für Pferd, Fahrer und Zuschauer gleichermaßen, und es war sein hoffentlich letzter Auftritt bei dieser ansonsten erstklassig organisierten Veranstaltung“. Es ist schon an anderer Stelle gesagt worden: es gibt eben einen Unterschied zwischen korrektem Richten und klugem Richten. Wenn man das Fahrpferde-Bundeschampionat partout hinrichten möchte, dann ist dieses Richtverfahren der beste Weg dazu!

DRFV/Rolf Schettler