Diskussion um gesellschaftliche Akzeptanz des Pferdesports

Die Diskussion um die gesellschaftliche Akzeptanz des Pferdesports im Allgemeinen, aber auch für den Fahrsport im Besonderen beschäftigt nicht nur militante Tierschützer. Rolf Schettler fasst den Stand der Debatte und ihre Konsequenzen zusammen.

Immer wieder stürzen sich wirkmächtige Medien wie der Privatsender RTL auf spektakuläre Tierschutzfälle. Dabei stehen nicht wie noch vor einigen Jahren Hühnermastbetriebe, Schweinezüchter oder Milchviehhalter im Fokus, sondern vermehrt der Pferdesport. Heimlich aufgenommene Videos sind heute, im Zeitalter von Smartphones mit leistungsstarken Kameras, ein überall verfügbares Kontrollmittel. Ganz gewiss sind dies Einzelfälle, aber die Wirkung ist verheerend!

FN Kick-off Meeting zum Thema „Social License“

Ende des vergangenen Jahres lud die FN zu einem Kick-off-Meeting zum Thema „Social Licence“ nach Warendorf. Dr. Christina Münch, Leiterin des Marktforschungsinstituts HorseFuturePanel stellte in ihrem Inputreferat klar, dass das Pferd an sich immer noch über höchste Sympathiewerte in der Bevölkerung verfügt. Aber die Zahl aktiver Pferdefreunde wächst seit Jahren nicht mehr an. Dennoch wird die Gesamtgesellschaft kritischer gegenüber jeder Art von Nutzung der Pferde, sei es im Turnier-oder Freizeitsport, erst recht bei gewerblicher Nutzung (Fiaker- und Planwagenfahrten) oder bei Karnevals- oder Schützenumzügen oder Kirmeseröffnungen.

Reiter und Fahrer stehen unter einem permanenten Legitimationsdruck. Dies allein dem schädlichen Einfluss der böswilligen Medien zuzuschreiben, wäre zu kurz gesprungen. Julia Becker, Ehefrau des Springreiter-Bundestrainers Otto Becker und Verlegerin der Funke-Mediengruppe in Essen, sieht die Medien lediglich als Spiegel des Wertewandels in der Gesellschaft: „Die beste Kommunikation ist das eigene Verhalten, und nicht das, was man darüber erzählt!“

Wo steht der Fahrsport in dieser Situation?

Unschöne Bilder beim Hallen-Weltcup wie zuletzt in Leipzig sind dabei alles andere als hilfreich. Selbstkritisch muss auch bei ländlichen Turnieren die Rolle der Parcourschefs hinterfragt werden. Begriffe wie „anspruchsvoll“ oder „selektiv“ dürfen keinen höheren Stellenwert haben als die Begriffe „harmonisch“ oder „pferdegerecht“. Dies gilt für feste Geländehindernisse ebenso wie für Kegelparcours. Aber auch überforderte Kaltblüter vor schlecht gefahrenen Brauereigespannen oder Planwagen mit schlecht geschulten und unsensiblen Kutschern oder schlecht sitzenden Geschirren sind Gift für das Ansehen des Fahrsports in der Öffentlichkeit.

„Bewegt euch, sonst werdet Ihr bewegt!“ Mit diesem Ausspruch brachte es der niedersächsische Veterinär, Fahrer und Tierschutzexperte Dr. Karsten Zech auf den Punkt. Die Frage ist nur, mit wie viel vorauseilendem Gehorsam der Fahrsport den unverkennbaren gesellschaftlichen Entwicklungen begegnen soll. Ein Beispiel: für die neue LPO, die zum 1.1.2024 in Kraft treten soll, wurde ernsthaft diskutiert, ob der Begriff „PeitschenSCHLAG“ noch Verwendung finden dürfe, da er bei Laien den Eindruck erwecken könnte, Fahrpferde würden mit der Peitsche geschlagen.

Aber auch seit Jahrzehnten unreflektiert genutzte Begriffe wie „Ungehorsam“, „Ausbrechen“ oder „Verweigern“ müssen auf den Prüfstand. Denn sie implizieren eine gewisse Schuldzuweisung an das oder die Pferde, als ob es allein an den Pferden läge, wenn diese im zu eng gefahrenen Geländehindernis stehen bleiben oder eine ruppige Leinenhilfe oder eine unpassend verschnallte Fahrkandare mit Kopfschlagen oder gar Steigen quittieren. Die Ursache für die Leistungsverweigerung eines Pferdes ist nicht dessen Unwilligkeit, sondern entweder eine Überforderung oder ein ungenügendes bzw. falsches Training. Dann, bitte sehr, muss die Mitverantwortung des Reiters oder Fahrers auch in den verwendeten Begriffen zum Ausdruck kommen.

Gemeinsame Leistung von Mensch und Pferd

Rainer Bruelheide, Vorsitzender des DOKR-Fahrausschusses, würde daher lieber von einer Leistungsunterbrechung statt von Ungehorsam sprechen: „Wir reden im Pferdesport immer von der gemeinsamen Leistung Mensch und Pferd, das muss dann auch in der Sprache des Regelwerks zum Ausdruck kommen!“

Natürlich wäre es auch denkbar, mit stolz geschwellter Brust und falsch verstandener Tradition an alten Begrifflichkeiten und der eigenen fachlichen Überlegenheit festzuhalten und damit mutig gegen den gesellschaftlichen Mainstream anzuschwimmen. Doch das Ergebnis ist vorhersehbar: der Mehrheitswille einer demokratischen Gesellschaft wird solche Beharrer einfach und geräuschlos hinwegfegen. Klüger ist zweierlei: zum einen mit gutem und authentischem eigenem praktischen Verhalten pferdegerechter Haltung und Sportausübung ein Beispiel geben. Und zum anderen verständlich und geduldig erklären, was wir tun; nicht als Besserwisser, sondern als „Mitnehmer“. Bei jeder Ausfahrt können wir dies unter Beweis stellen: mit freundlichem Grüßen aller Passanten und gelegentlich einem Angebot zur Mitfahrt. Es gibt keinen Grund, per se im Büßergewand herumzulaufen oder ein schlechtes Gewissen zu haben, wenn wir Pferde anspannen. Denn wer uns Pferdeleute versteht, wird uns weniger vors Schienbein treten!

Quelle: Mit freundlicher Genehmigung des Fachverlags Sagkob und der Redaktion „Pferd & Wagen“. Erstmals erschienen in „Pferd & Wagen Nr. 3/2023, S. 38f.

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