Wiedergeburt des Tandem-Sports in Deutschland

Hindernisfahren mit dem Tandem
Foto: Rolf Schettler

Mit der Wiedergeburt des Tandem-Sports in Deutschland beim Deutschen Fahrderby in Riesenbeck und im populären Traditionsfahren, scheint die klassische und zugleich sportlich-anspruchsvolle Anspannungsart Tandem wieder neu ins Bewusstsein der Fahrer zu rücken. Rolf Schettler beschreibt, was das Besondere am Tandem ist.

Zwei Pferde voreinander im 18. Jahrhundert verboten

Zwei Pferde voreinander statt nebeneinander zu spannen, die man dann nur noch mit vier Leinen kompliziert steuern kann, mag für manchen Pferdefreund, vielleicht sogar für manchen Fahrer absonderlich wirken.

Daran sind Tandemfahrer von alters her gewöhnt. Den Studenten des altehrwürdigen englischen Universitätscampus Cambridge war Tandemfahren im 18. Jahrhundert sogar bei Strafe verboten, einerseits wegen der Gefahr für die Mitbürger, zum anderen weil das Tandemfahren im Verdacht stand, Übermut und Leichtsinn der Studenten zu fördern.

Der Ursprung

So vieles liegt aus dem Ursprung des Tandemfahrens im Dunklen. Niemand kann so recht überzeugend die Herkunft des Namens erklären, der sowohl im englischen, als auch im französischen und deutschen Sprachraum gleichermaßen verwendet wird.

Der lateinische Begriff „tandem“ bedeutet „ausführlich“. Gelegentlich ist zu hören, ein „Lord Tandem“ habe diese Anspannungsart erfunden. Leider kennt das englische Adelsverzeichnis, das ansonsten eine äußerst zuverlässige Quelle ist, keinen Adeligen dieses Namens, sodass diese Version getrost in das Reich der Fabel verwiesen werden kann.

Auch die praktische Herkunft dieser Anspannungsart, die bei vielen Fahrern als die sportlichste aller Turn-outs gilt, ist nicht wirklich geklärt. Auf engen Wegen hat es für Arbeitsgespanne schon immer diese Form der Anspannung gegeben, vor allem bei den sogenannten Treidelpferden, mit denen schon die alten Römer Lastkähne flussaufwärts über schmale Treidelpfade bewegten. Aus ganz praktischen Gründen, wenn die Breite des Weges für einen Zweispänner nicht zur Verfügung stand.

Theorie über die Entstehung des sportlichen Tandems

Für die Entstehung des sportlichen Tandems existieren zwei verschiedene Theorien. Lady Georgina Corzon, die spätere Herzogin von Beaufort schreibt 1889 in ihrem Kapital über das Tandemfahren im Band „Driving“ der Badminton Library des 8. Herzogs von Beaufort, die englische Jagdreiterei sei der Ursprung des Tandemfahrens gewesen.

Vor allem die Damen seien nicht zum Meet geritten, sondern im einachsigen leichten Dog-Cart mit ihren Hunden im Wagenkasten und dem aufgesattelten Reitpferd vorneweg angereist. Der mitfahrende Diener hat sich dann während Jagd um das Gabelpferd und den Wagen gekümmert und ist dem Jagdfeld in gebührendem Abstand gefolgt. So wird auch begründet, dass ein Tandem-Vorderpferd mit einem leichten Brustblatt ausgerüstet sein kann, während das Gabelpferd stets Kumt trägt.

Andere Theorien

Eine ganz andere Entstehungsgeschichte hat der Tandem-Fahrer und FN-Fahrlehrer Heinrich Freiherr von Senden parat, Enkel eines weitgereisten gleichnamigen preußischen Landstallmeisters.

Nachdem in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts das Viererzugfahren in England bei Adel und Offizieren modern geworden war, wollten sich auch die Offiziere in den entfernten englischen Kolonien mit diesem Sport beschäftigen.

Vier Pferde zu unterhalten war da mitunter schwierig, so dass man einen technisch gleichermaßen anspruchsvollen „Viererspänner light“, nämlich das Tandem erfand.

Andere Quellen gehen in eine ähnliche Richtung: während des Krim-Krieges (1853 – 1856) zwischen Rußland einerseits und einer Koalition aus Türken, Franzosen und Engländern andererseits, sollen die englischen Offizieren, denen es an Pferdenachschub für die Bestückung von Vierspännern fehlte, das Tandemfahren als Freizeitbeschäftigung kultiviert und ihre Geschicklichkeit beim „Hindernisfahren“ mit dem Tandem um die eigenen Geschützstellungen trainiert haben.

Filigrane Handhabung der Leinen

In der Tat sind die Leinengriffe bei Viererzug und Tandem nahezu gleich. Das Tandem erfordert jedoch eine sehr viel filigranere Handhabung der Leinen, was Benno von Achenbach einmal zu der Formulierung brachte, Tandemfahren sei wie Harfe spielen.

Hinzu kommt, dass die rechten und linken Leinen beim Tandem sehr viel dichter beieinander liegen, da sie eben nur über den Rücken eines Pferdes in die Fahrerhand laufen und nicht von zwei nebeneinander gehenden.

Einachser als Tandem-Fahrzeug

Naturgemäß ist das Tandem in Wendungen weniger stabil, da das Vorderpferd doch ziemlich alleine ist. Es wird weder durch Gabelschäfte noch durch ein an seiner Seite gehendes Pferd begrenzt.

Ein plötzliches Erschrecken kann bei einem unerfahrenen Pferd schon einmal zu einer abrupten Kehrtwendung führen. Dies ist im übrigen auch der ganz einfache Grund dafür, dass das klassische Tandem zumindest im Traditionswettbewerb nur im einachsigen Wagen gefahren wird.

Die Korrektur eines Tandems, dessen Vorderpferd kehrt gemacht hat, erfolgt nämlich am einfachsten durch das Rückwärtsrichten des Gabelpferdes, was bei einem vierrädrigen Wagen mit einschlagendem Drehkranz nur unter Schwierigkeiten und Gefahren möglich ist.

Geeignete, also besonders hohe Einachser sind selten, und so empfinden viele Tandem-Einsteiger diese traditionelle Forderung als äußerst unpraktisch.

Daher formulieren Turnier-Ausschreibungen häufig „Einachser erwünscht“, um den Einstieg in das Tandemfahren nicht zu sehr formal zu erschweren. In Traditionsprüfungen hingegen hätte man mit einem noch so schönen Spider hinter dem Tandem wenig Chancen auf eine vordere Placierung.

In England werden sogar Tandem-Geländeprüfungen ausgeschrieben, zu denen dann gewöhnliche Marathonwagen angespannt werden, bei denen beide Tandem-Pferde mit Brustblatt ausgestattet sind. Ob das dieser Anspannungsart gerecht wird, mag dem Geschmack des einzelnen Betrachters überlassen sein.

Keine schwarze Magie

Die beste Grundlage ist ein sicheres, gut gefahrenes und nicht zu schreckhaftes Einspännerpferd, das allemal ein brauchbares Tandem-Vorderpferd abgeben wird.

Eine Grundausbildung im Zweispänner ist hingegen noch keine ausreichende Vorbereitung für das Tandem. Mit zwei Pferden voreinander lassen sich dann alle Viererzuggriffe technisch tadellos erlernen, was den Umstieg auf den Vierspänner deutlich erleichtert.

Andererseits wird sich ein Viererzug-Fahrer in aller Regel recht schnell auf ein Tandem einstellen können, aber gleichzeitig feststellen, dass das Gespann sehr viel schneller reagiert als der Viererzug.

Die nach der deutschen LPO in Dressur und Kegelfahren bis zur Klasse A vorgeschriebene Leinenführung nach Achenbach – erst ab Klasse M ist die Leinenführung freigestellt – stößt vielen Tandem-Neulingen sauer auf. Das moderne Zweihandsystem, dass bei den Vierspännern im Gelände vorherrscht, erscheint vielen auch beim Tandem leichter. Dies ist allerdings ein Trugschluss, denn gerade wegen der Fragilität des Tandems sichert die Achenbach’sche Leinenführung eine viel ruhigere Einwirkung und erhöht damit die Stabilität des Anspanns.

Harmonie trotz Varianz

Ein wettbewerbsfähiges Turniertandem zusammen zu bekommen, ist nicht ganz einfach. Die ästhetischen Anforderungen sind nicht gering.

Während ansonsten bei Mehrspännern die Einheitlichkeit in der Farbe gewünscht ist, lebt das Tandem von der harmonischen Varianz, ein Schimmel mit einem Rappen kombiniert, ein Kohlfuchs mit einem hellen Fuchs, ein Brauner mit einem Schwarz-Braunen, das sind Kombinationen, die Tandemfreunde lieben.

Fuchs und Brauner hingegen oder Fuchs und Schimmel gelten jedoch unverändert als ordinär. Trotzdem: ein engagierter Einspännerfahrer kann zwei typ- und größenmäßig unterschiedliche Pferde besser im Tandem als im Zweispänner trainieren.

Vorderpferd mit viel Ausstrahlung

Für ein wirklich strahlendes Tandem benötigt man ein Vorderpferd mit viel Ausstrahlung vor allem mit schwung- und effektvollen Bewegungen. Das Gabelpferd ist dabei mehr der Arbeiter, es bewegt den Wagen fast alleine.

Daher sollte es in Rahmen und Kaliber eher stärker sein als das Vorderpferd, das man sich vor allem leichtfüßig und typvoll wünscht, als „Eyecatcher“ eben. Es darf dabei ruhig ein wenig kleiner und auch eleganter sein als das Gabelpferd.

Lange Stränge oder Doppelortscheit?
Foto: Rolf Schettler

Ob das Vorderpferd mit langen Strängen angespannt wird, die am Strangstutzen des Gabelpferdekumts befestigt werden oder mit einem sogenannten Doppelortscheit, der am Kumt des Gabelpferdes hängt, ist eher eine Glaubensfrage.

In England sieht man fast überhaupt keine Doppelortscheite, obwohl dies fahrtechnisch bei engen Wendungen für den routinierten Fahrer durchaus Vorteile bringt. Das zusätzliche Gewicht am Hals des Gabelpferdes und auch die Gefahr, dass beim Zurückweichen des Vorderpferdes der Doppelortscheit an die Vorderbeine des Gabelpferdes schlägt, sprechen eher dafür, dass die langen Vorderstränge für den Anfang und als Regel-Anspannung angesehen werden sollten.

Das Geschirr

Tandem-Leinenschlüssel

Der Tandem Leinenschlüssel
Foto: Rolf Schettler

Beim Geschirr muss ein Tandemfreund ein wenig investieren. Für das Gabelpferdes benutzt man ein leicht umzurüstendes Einspänner-Selett, bei zweirädrigen Wagen aber bitte unbedingt mit durchgehendem Trageriemen, der die unterschiedlichen Bewegungen der beiden Gabelbäume besser mitmacht als der feste.

Anstelle der Einspänner-Leinenführungsringe werden zwei Tandemschlüssel eingeschraubt, die mit einem Steg in der Mitte geteilt sind, um Vorderleine und Hinterleine besser zu trennen. Zwei Viererzugleinenschlüssel, bei denen jeweils zwei Ringe übereinander geschweißt sind, tun es zwar für den Anfang auch, wirken aber eher unharmonisch ausladend, „ … wie zwei Flügel einer Wespe!“

Der „Wiener Haken“

Seit Erfindung des sogenannten „Wiener Hakens“ ist auch eine ganz normale Strangstutzenschnalle beim Tandem zu gebrauchen. Der polierte Stahlhaken wird nämlich einfach in den Docht der Strangstutzenschnalle eingehängt und dient dann zum Befestigen der langen Vorderstränge.

Das Vorderpferd braucht einen ganz schlichten Kammdeckel, ohne Oberblattstrupfe, sondern nur mit einem Durchlass für die Stränge.

Selbst Viererzug-Vorderstränge reichen in aller Regel für ein Tandem-Vorderpferd nicht aus, zumindest dann nicht, wenn man auf Doppelortscheid verzichtet und die Stränge direkt am Kumt des Gabelpferdes befestigt.

Ein Strangträger beim Vorderpferd sollte in jedem Fall benutzt werden, um zu verhindern, dass das Pferd in einer Wendung in den Strang tritt.

Fazit

Wer sich auf den Weg macht, dass Tandemfahren zu erlernen, wird dies nicht bereuen. Es ist ein anspruchsvoller, technischer Sport, der viel Geschicklichkeit erfordert, aber durchaus lernbar ist. Spaß haben jedoch wird jeder daran, der den Fahrsport mit Pferden genießen kann.

Rolf Schettler/DRFV