Hören Menschen und Pferde unterschiedlich?

Manchmal stellen wir fest, dass unser Pferd etwas hört, das wir nicht hören können. Woran liegt das? Ganz einfach: Pferde nehmen mehr Frequenzen wahr als Menschen. Wir hören Töne mit Frequenzen bis 20.000 Hertz. Pferde hören allerdings Töne bis 33.500 Hertz. Ein gewaltiger Unterschied.

Pferdeohren sind sensibler

Wie gut hören Pferde

sensible Pferdeohren
Foto: B. Barre

Das Pferd kann seine Ohren um 180 Grad drehen, somit fast in alle Richtungen. Es hat 16 Muskeln und die Ohren können sich absolut unabhängig voneinander bewegen. Schön zu beobachten beim Longieren: sobald das innere Ohr eures Pferdes in eure Richtung weist, wisst ihr, aha, mein Pferd hört mir zu und ist bei mir.

Das andere Ohr kann dagegen nach vorne gestellt sein, um andere Geräusche wahrzunehmen. Dieses Drehen des Ohres in eine Richtung bewirkt ein sehr präzises Hören. Also wichtig: wenn das Pferd euch kein Ohr „schenkt“ ist es nicht richtig bei Euch! Im Umkehrschluss sei bemerkt, dass Pferde durch die Drehung der Ohren genau orten können, aus welcher Richtung interessante oder bedrohliche Geräusche kommen und werden ihren Kopf oder den gesamten Körper in die Richtung drehen, aus der das Geräusch kommt. Somit wissen wir Pferdeleute immer ganz genau, auf was sich das Pferd gerade fokussiert. So einfach ist das.

Pferde speichern Geräusche

Pferde können Geräusche „speichern“. Jeder hat das schon mal erlebt: wir kommen in den Stall und unser Pferd begrüßt uns – noch bevor es uns sehen kann – mit einem (hoffentlich) erwartungsvollen Wiehern. Das vertraute Geräusch unseres individuellen Schrittes ist beim Pferd abgespeichert. Genauso verhält es sich mit gängigen Kommandos, die wir ihm beibringen: Hoooo, Brrrrrr, Terrrrab, Gaaaalopp, und ganz wichtig: „feeeeeiiiiiin“. Denn Pferde lieben Vokale! Je höher und länger ausgeprägt, desto besser.

Mäuse husten hören

Die Ohren unserer Pferde sind ein hervorragendes Frühwarnsystem! Die Ohren schlafen nie. Wenn Pferde schlafen drehen sich trotzdem die Lauscher und fangen selbst die kleinsten Geräusche ein. Das Fluchttier hat somit auch im Schlaf die Möglichkeit, Bedrohungen zu erkennen und sich rechtzeitig aus dem Staub zu machen. Somit können Pferde im wahrsten Sinne des Wortes die „Mäuse husten hören“. Gut zu wissen.

Wann stehen Pferdeohren still?

Schon mal probiert? Ohrenkraulen. Wenn unser Pferd so viel Vertrauen zu uns hat, dass es beim Ohrenkraulen völlig entspannt ist, bewegen sich die Ohren überhaupt nicht mehr. Das ist ein sehr großer Vertrauensbeweis!

Aber es gibt auch andere Momente, in denen die Ohren komplett stillstehen:

  • Das Pferd hat ungeheure Schmerzen
  • Das Pferd hat große Angst
  • Das Pferd resigniert, weil der Mensch ihnen Leid zufügt (oft zu sehen, wenn Reiter ihren Pferden den Kopf auf die Brust ziehen)

Wir präferieren den ersten Aspekt: Ohrenkraulen!

Leise und präzise?

Wir haben gelernt: Pferde hören überaus gut! Aber warum sprechen wir Menschen dann oftmals so laut mit ihnen?

Beispiel Fahrturnier – Geländeprüfung

Schon oft erlebt: auf einem Fahrturnier im Gelände werden die Pferde in den Hindernissen regelrecht angeschrien. Lautstark bemühen sich Fahrer*innen und Beifahrer*innen, den Pferden mittels Stimme den GO zu vermitteln. Die Stimme ist oftmals noch weit entfernt zu hören! Aber warum so laut? Nun, der Adrenalinspiegel der Akteure ist am obersten Limit und viele versuchen, über die Lautstärke der Anfeuerung „Dampf abzulassen“.

Pfeifen als Signal

Oftmals hören wir, dass die Fahrer*innen einen bestimmten Pfiff dazu nutzen, die Pferde in den Hindernissen anzuspornen. Das ist schon eher zielführend, weil unsere Vierbeiner im Idealfall genau auf diesen Pfiff konditioniert sind. Sie geben Gas…Damit das funktioniert, muss man es natürlich im Training üben.

Die Stimme in der Dressurarbeit

Ganz anders in der Dressur: wollen wir in einer Dressurprüfung starten, sind laute Stimmhilfen verpönt! Hier ist es sinnvoll, die Pferde auf leiseste Laute zu trainieren. Ein kaum hörbares Zischen für die Trabverstärkung, ein leises „runter“ für Leinen aus der Hand kauen lassen, ein geflüstertes „Haaalt“ um die ganze Parade zum Stehen zu unterstützen. Diese Kommandos sollen so leise sein, dass nur unser Pferd sie hören kann. Die Ausbildung dahin ist nicht schwer, wenn man es konsequent übt! Anfangs üben wir noch mit lauterer Stimme, um später die Lautstärke immer weiter zu reduzieren. Erstaunt stellen wir dann fest, wie gut Pferde wirklich hören können!

Wie trainiere ich mein Pferd auf Stimme?

Grundsätzliches:

Wenn ich ein Pferd auf meine Stimmkommandos trainiere, verknüpfe ich IMMER ein einziges, immer gleiches, Kommando mit einer EINZIGEN Aktion. „Halt“ ist immer Halt. „Komm“ ist immer Vorwärtsgehen und „Zurück“ ist immer Rückwärtstreten.

Gemerkt? Hier haben wir oftmals schon ein Problem. Nämlich das immer wieder gerne verwandte Kommando „KOMM ZURÜCK“. Was denn nun? Vorwärtsgehen oder Rückwärtstreten? Vertrackte Situation!

Fazit: EIN Kommando für EINE Aktion. Nur dann kann das Pferd unser Kommando zuordnen und vor allem auch umsetzen.

Ein schöner Vergleich, der deutlich macht, was wichtig ist!

Wir kennen das alle: nervige, laute Menschen, die uns ins Ohr brüllen. Sie reden die ganze Zeit auf uns ein und stressen uns. Am liebsten würden wir Reißaus nehmen. Zu allem Überfluss hauen sie uns noch, angeblich freundschaftlich, mit der Hand auf den Rücken, um ihre Worte zu unterstützen. Grauenvoll, oder?

Wie schön ist es im Vergleich dazu, wenn jemand freundlich auf uns zu kommt, sich ruhig und interessiert mit uns unterhält und sich mit uns freut, wenn wir etwas erzählen. Aufmerksam, ganz bei uns und leise. Dann geht uns das Herz auf und wir sind begeistert von diesem Menschen, der so sanft und ruhig ist. Wir hören ihm ganz genau zu und verstehen was er sagt – weil er uns durch seine faszinierende Persönlichkeit begeistert.

Genauso geht es unseren Pferden!

Für alle, die mehr über Wahrnehmung bei Pferden wissen möchten, gibt es hier einen Link zur Übersicht aus der Literatur 2014 von Dr. Ursula Pollmann, CVUA Freiburg, Fachbereich Ethologie und Tierschutz.

In diesem Sinne verabschieden wir uns jetzt ruhig und leise mit einem freundlichen „wohl geling’s und bis bald“…

Birgit Barre